Schwester Karoline begeistert

Lesung aus ihrem neuen Buch "Jeder trägt einen Traum im Herzen"

 

 

Nach dem Gottesdienst in Sankt Michael - bei voll besetzter Kirche - brauchte es schon ein bisschen Zeit, bis die Schwester im Gemeindesaal zur Lesung ihres jüngsten Buches “Jeder trägt einen Traum im Herzen“ schließlich den Gemeindesaal erreichte. Bei über 100 Zuhörern im Saal fehlte es bald an Stühlen, so wurden die Tische an der Seite einfach zu Sitzmöglichkeiten umfunktioniert.

Die Begrüßung von Gabi Braun (Göttinger Freundeskreis / CVE) ergänzte die Schwester spontan mit einem Rückblick auf ihre Beziehungen zu den Göttinger Kirchengemeinden seit 1973 (einschließlich der seit diesen Jahren bekannten Apfelsinen-Aktion: „Eine Apfelsine für Schwester Karoline“).

Die Lesung begann mit dem Hinweis, dass Angela Krumpen, die als Journalistin den Erfahrungen/Geschichten von Schwester Karoline eine „Buchgestalt“ gegeben hat, aus familiären Gründen leider nicht anwesend sein konnte. Aus dem Buch wurden den Zuhörern drei Abschnitte vorgestellt:

„Mein Traum hat sich immer selbst geträumt“ - „An meine Mamita“ . Da geht es sehr persönlich zu: Die Auseinandersetzung mit der Mutter wegen des Eintritts in den Orden der Steyler Schwestern und der Beginn ihres neuen Lebens in einem Elendsviertel in Santiago de Chile. Der Mutter schreibt sie: „Die Menschen sind die Ärmsten der Armen, der Abschaum einer Weltstadt. Aber Gott ist unterwegs zu den Armen. Wir haben eine Comunidad Christiana gebildet und versuchen ein bisschen Urchristentum zu leben“. Diesen Abschnitt liest Karoline; weitere persönliche Erinnerungen lässt sie einfließen.

Gloria, so ist der nächste ausgewählte Abschnitt überschrieben. Der Titel lässt den Zuhörer zunächst rätseln: klingt nach Liturgie, Weihnachten und „Gotteslob“ . Es geht um die Gloria, die Tochter von Gabriela und Luis, alle aus dem Armenviertel Recoleta. Gloria hat die Ausbildung zur Krankenschwester an der Berufsschule der Fundacion erfolgreich absolviert und gleich eine gute Anstellung gefunden. Nicht nur ein Glück für sie, sondern auch für die Familie. Mit 25 Jahren stirbt Gloria an Krebs. Durch ihre Krankheit und die Kosten des Begräbnisses haben sich die Eltern tief verschuldet. Das Einkommen der Familie ist eingeschränkt auf den Blumenverkauf des Vaters auf dem Markt. Der Tod von Gloria lässt seinen Mut in Trauer versinken. Doch bleibt ihm Kraft, zu hoffen; er wendet sich an die Fundacion. Schwester Karoline bestärkt ihn in seiner Hoffnung, sucht nach Hilfe. Ein kleiner Briefumschlag erfüllt seinen Traum: Er wird wieder Blumen verkaufen. Diesen Abschnitt liest K.-F. Braun – auch hier lässt Karoline einfließen, wie gegenwärtig ihr noch die Geschichte von Gloria ist.

Jeder Traum bringt dich an deine Grenzen. Aber weil es dein Traum ist, geht es dort weiter. – 

Nun verlassen wir das Vorlesepult. Karoline erzählt. Sie erzählt –„mit Händen und Füßen“ - die Geschichte von Cristian, einem Lehrer der Berufsschule. Der kann mit der Ermordung eines seiner Schüler, Diego, nicht zurechtkommen. Auf sein Bitten hin fährt Karoline mit ins Elternaus, wo sich – wie in allen Häusern- das ganze Leben abspielt, auch der Tod. Sie umarmte die Mutter "Dios es contigo , Gott ist bei dir. Und bei Diego. Ihr seid nicht alleine“.

Ebenso die junge Witwe. –Was war geschehen? Diego war von einer Gruppe junger Männer aus dem Haus gerufen worden. Zusammen gingen sie weg. Und dann haben sie ihn erschossen. Ein Racheakt . „Sicher hatten die jungen Männer auch in diesem Fall noch eine Rechnung offen, die sie dachten , nur auf diese Art begleichen zu können. Dass Gewalt immer der falsche Weg ist, kommt ihnen nicht in den Sinn“. (S.82) Für den Lehrer Cristian war die ganze Situation schockierend. Er verstand: Gewalt soll nicht Gegengewalt erzeugen. Daraus „fand er mehr Kraft für seine Arbeit. Mehr als er jemals zuvor verspürt hatte.“(S.86). Mit größtem Engagement begann er, sich für alleseine Schüler einzusetzen.
Träume können verloren gehen. Aber man kann sie erinnern. Ein ganzes Leben lang.

Gabi Braun liest aus diesem Abschnitt vor: Anne, eine junge Freiwillige ringt um ihr Selbstverständnis. Sie sucht Erkenntnis beim Studium, bei der Ausbildung, als ungelernte Arbeitskraft in einem Heim für Menschen mit Behinderungen –mit viel Freude im Umgang mit diesen Menschen. Es gab Enttäuschungen. Sie bekommt karriereträchtige Angebote für eine sichere Zukunft. Sie fällt trotz der Angebote in ein „Loch“. Doch träumt sie. Sie hat Sehnsucht, etwas von der großen weiten Welt zu sehen. Nach Chile ist sie gereist – gegen den Rat eines Dozenten. Am Anfang standen schwere Wochen- allein das Spanisch, das Chilenen in ihrer Art sprechen, schien eine Hürde. Aber im Umgang mit den Obdachlosen, um die sich die Fundación sorgt, wurde ihr klar: „Hier ging es um Menschen, von denen jeder einen Namen, ein Gesicht, eine Geschichte hat. Die Sprachbarriere fiel, Anne hat selbst Wege gefunden, sich verständlich zu machen.“ Sie wurde plötzlich eine von ihnen“. Sie hatte es geschafft, dass eher Unzugängliche (meist Männer) sich darauf einließen, Gesichtsmasken der eigenen Person von Früher (auf der Straße) und Heute (am Tag des Aufenthalts im Heim) mit Papier und Farbstiften zuzuschneiden und mit Farbstrichen individuell zu gestalten. „Dass es mich glücklichen machen würde, hatte ich auch geahnt. Jetzt war aus der Ahnung Gewissheit geworden“ –zitiert Karoline. ----

Es war für alle Beteiligten jeglichen Alters eine schöne Begegnung mit Schwester Karoline und ihren Themen (aus „Jeder trägt einen Traum im Herzen“), die gegen 22.00 Uhr endete - Kurzgespräche und Autogramme waren noch gefragt.

Karl-Friedrich Braun