"Reformation und Freiheit" - Johannisempfang mit Präses Nikolaus Schneider
Der Ratsvorsitzende der EKD als Festredner beim Jahresempfang des ev. - luth. Kirchenkreises
Die größte evangelische Kirche in Göttingen war wieder gut gefüllt. Während der katholische Jahresempfang traditionell Anfang Januar stattfindet, treffen sich die evangelischen Glaubensgeschwister am Johannistag, dem 24. Juni. Dieses Mal hatte sich hoher Besuch angesagt. Dr. Klaus-Achim Sürmann, der Vorsitzende des Kirchenkreistages, konnte niemand geringeren als den derzeitigen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche Deutschlands und Präses der Rheinischen Kirche, Dr. Nikolaus Schneider, begrüßen.
Der Abend begann um 17:00 Uhr mit einer Intrade des Kreisposaunenchors unter der Leitung von Christoph Rüling. Er sorgte zusammen mit der Stadtkantorei unter der Leitung von Bernd Eberhard für die musikalische Umrahmung. Superintendent Friedrich Selter begrüßte kurz die Gäste aus Politik, Kirche und Gesellschaft, und sprach ein Gebet. Die Schriftstelle aus Röm 13 griff die Zehn Gebote aus dem AT auf. Das Lied Nun danket all und bringet Ehr umrahmte die Predigt von Superintendent Selter. Er erzählte von Erlebnissen des kürzlichen Kirchentages in Dresden, den der immer noch sehr jung wirkende Friedrich Selter mit einer Schulklasse auf der Iso-Matte schlafend gleichsam standesgemäß besucht hatte. So erleben Tausende von Teilnehmern diese Tage!
Selter erzählte auch vom Schicksal der Gastgeberstadt, mit ihren Auf- und Abs. Die Bombadierung und der Wiederaufbau der Frauenkirche, die zu einer Art "evangelischer Vatikan" mutiert, stehen für die Eckpunkte dieser Entwicklung. "Der Kirchentag hat echte Werte nach Dresden gebracht!", so ein eher agnostischer Dresdner. Selter: Der Kirchentag hat Zeugnis gegeben. Und dies sei auch ein Sinn und Zweck des Johannisempfangs.
Der Festredner erschien spät, aber gerade rechtzeitig. Präses Nikolaus Klein sprach zum Thema "Reformation und Freiheit". Er erinnerte an die wichtige Rolle der Kirche im Vorfeld der Wende in der damaligen DDR und die u.a. von Pfr. Harald Brettschneider inszenierte Bewegung Schwerter zu Pfugscharen! Auch wenn wahrlich nicht alle Menschen damals, die sich in kirchlichen Räumen versammelten Christen waren, so bot die Kirche doch einen Schutzraum für Unzählige. Die friedliche Revolution in der DDR kann als ein Muster christlich verstandener Freiheit gelten. Freilich ist dies eine Freiheit, die - so Schneider - stets bewahrt und gestaltet werden will.
Vorkämpfer evangelischer Freiheit war natürlich Martin Luther. In seiner legendären Schrift Von der Freiheit eines Christenmenschen hat er diesen Anspruch proklamiert. Sören Kierkegaard, ein protestantischer, dänischer Philosoph und Wegbereiter des modernen Existentialismus, macht aber deutlich, dass der Erhalt und Kampf um die Freiheit auch anstrengend ist und Angst machen kann: "Angst ist das Schwindelgefühl der Freiheit", so der Philosoph. Schneider ergänzte, dass die größere Freiheit die ist, die sich selber zurücknimmt - um der Freiheit des anderen willen. Eine jede Ehe lebe von dieser Zurücknahme.
Gott hat uns - so Schneider - zur Freiheit berufen (Gal 5,1). Wenn er uns zu so etwas beruft, dann befähigt er uns auch dazu. Der Christ, der sich Gott verantwortlich weiß, der ist gleichzeitig frei und verwurzelt, so Schneiders Fazit.
Nach dem kurzen, aber dichten Vortrag wurden dann Grußworte vorgetragen, u.a. von der Politik, aus der Göttinger jüdischen Gemeinde und vom Iman der Moschee in der Kasseler Landstraße. Die Glückwünsche der Katholiken überbrachte in gewohnt knapper, kompetenter und witziger Weise Dechant Bernd Langer. Da dies als sein letzter Empfang als Dechant angekündigt worden war, erhielt er besonders viel Applaus von den ca. 200 geladenen Gästen.
Mit einem schmackhaften Buffet, einem Gläschen Wein und viel Smalltalk klang der Abend dann aus.