Priester 2.0: Macht er das Licht aus oder an? - Priestertage in Germershausen
Gemeinsames Nachdenken über die (Priester-) Pastoral des Bistums
Seit Jahren versucht das Bistum Hildesheim die Kollegialität und Brüderlichkeit der Hauptamtlichen, darunter auch die der Priester, zu stärken. Und so gibt es in Abständen von ein bis zwei Jahren regionale Treffen, zu denen man sich anmelden kann, ja sollte. Wenn einer nämlich absagt, dann wird nachgefragt warum. Das kommt aber – so die Initiatoren – nicht als Schnüffelei an, als vielmehr als eine Form von Wertschätzung. Und so sei es gelungen über 90% der Priester zur Anmeldung an einem der sechs Treffen zu bewegen.
In Germershausen trafen sich etwa 30 Priester, meist aus dem regionalen Umfeld (Harz, Eichsfeld, Göttingen…). Die Verköstigung des vom ehemaligen Göttinger Pastoralreferenten Thorsten Thiel geleiteten Hauses war hervorragend. Von Seiten des Bistums waren u.a. dabei : Martin Wilk (Personalreferent), Christian Hennecke (Leiter Hauptamt Pastoral). Am Dienstag stieß auch Bischof Norbert Trelle dazu und feierte mit den Gekommenen die Messe. Beim anschließenden Konveniat (gemütliches Beisammensein) beantwortete er Fragen der Anwesenden. Geleitet und moderiert wurden die Tage von Dieter Haite.
Inhaltlich dreht sich seit vielen Jahren im Bistum alles um die Neugestaltung des Bistums, die durch die immer knapperen personellen (und finanziellen?) Ressourcen nötig sind. Immer weniger Priester für immer größere Räume („Seelsorgeeinheiten“)?
Christian Hennecke erläuterte einmal mehr das Konzept Lokale Kirchenentwicklung (LoKi). Dabei handelt es sich um einen längeren Prozess – das geht nicht von heute auf morgen! Es soll lokal geschaut werden, was pastoral möglich und sinnvoll ist. Zugleich darf die Bistumsebene auch nicht völlig aus dem Blick geraten. Schließlich soll die Feier der Eucharistie auch zukünftig das Zentrum bilden. Aber wie soll das gewährleistet werden?
Immer weniger Priester (bzw. Hauptamtliche überhaupt) machen immer mehr? Geht nicht! Ehrenamtliche ersetzen Hauptamtliche? Klappt auch nicht, jedenfalls nicht immer und überall! Anstatt eine Pauschallösung anzustreben gelte es – so Christian Hennecke – das Charisma des Ortes wahrzunehmen. Was ist an diesem und jenem Ort besonders? Welche Möglichkeiten bietet er? Welche Nöte gibt es an diesem Ort?
Kirche muss alltagsrelevant bleiben (werden?), die Taufe und damit gegebene Gnade bzw. Würde muss ernst genommen werden. Aktive vor Ort müssen aus- und fortgebildet werden (Empowerment), es soll lokale Leitungsteam geben und eine Kultur des Vertrauens geschaffen werden: „Ihr könnt das! Macht einfach mal! Probiert es!“ Die Zeiten, in denen zu jedem pastoralen Versuch an der Basis ein abschmetterndes „Njet!“ von Oben entgegenkommt, sind also vorbei.
Domkapitular Martin Wilk, Leiter des Hauptamtes Personal, brachte die drei am meisten diskutierten Worte in seinem Statement auf den Begriff: Lokale Kirchenentwicklung – die Seelsorgestudie – der Stellenplan 2025. Er skizzierte die Personalentwicklung, sprach über Rollenklarheit und Stellenwechsel, Sendung, Fortbildung und Vertrauen. Die großen Wörter wurden in Gruppenarbeiten herunter gebrochen und mit pastoralem Leben gefüllt. Dabei zeigt sich: der Optimismus von oben wird unten nicht unbedingt geteilt. Es gibt da andere Erfahrungen: Pfarrer weg – Pfarrhaus vermietet – Kirche geschlossen. Dennoch: Zum Grundkonzept des Bistums gibt es keine wirkliche Alternative.
Dr. Christian Schramm, der Bibeltheologe des Bistums, unterbrach die Diskussionen mit Bibelarbeiten, die zeigten, dass schon die Menschen der Bibel mit den selben Problemen, wenn auch anderen Begrifflichkeiten, zu tun hatten. Am Beispiel des Mose (Exodus 3) oder Jesus und seinen Mitarbeitern (Markus 6) zeigte er die bleibende Relevanz der biblischen Texte auf. Dabei gestaltete er die Bibelarbeiten immer interaktiv, nie professoral oder dozierend.
Diakon Markus Schneider, ebenfalls vom BGV, griff die biblischen Impulse auf und erläuterte den Sendungsauftrag der Kirche anhand Joh 20,21: Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Er zeigte weiter anhand der Konzilsdokumente des II. Vatikanischen Konzils, wie die Kirche (damals) versuchte das Evangelium umzusetzen (sog. Aggiornamento). Papst Franziskus versucht eben dies durch sein Schreiben Evangelii Gaudium für unsere Zeit anzuregen.
Martin Wrasmann, ebenfalls aus dem Hauptamt Pastoral, mahnte an, die Lebensumstände der Menschen heute genau zu beachten, damit man Seelsorge nicht am modernen Menschen vorbei entwirft. Die SINUS-Studie werde schon lange diskutiert, aber auch die dort geschilderten Milieus verändern sich weiter. Die Seelsorger müssen wissen, wie die Menschen leben, damit die Seelsorgeangebote ins Schwarze treffen können und nicht an den Bedürfnissen vorbei gehen. Freilich klingt das auch nach zusätzlichem Stress: Muss der Pfarrer jetzt noch Soziologie studieren? So haben Umfragen ergeben, dass Demenz (bzw. die Angst davor!) Thema Nummer eins bei vielen ist. Muss ich als Seelsorger mich jetzt in dieses Megathema einarbeiten, womöglich noch zusätzlich zu meinem eh schon prallen Pensum? Martin Wrasmann – die anderen offiziellen BGV-Vertreter waren gerade nicht im Raum… - ermunterte die Geistlichen einfach auch mal Dinge zu lassen, und sei es die übliche Erstkommunion- oder Firmvorbereitung…
Im Laufe des Nachmittags stieß dann Bischof Norbert Trelle dazu und feierte mit den Priestern die Messe. Nach dem Abendessen traf man sich zum Konveniat. Dort stand der Bischof Rede und Antwort. Mit Blick auf das abzusehende Ende seiner Amtszeit tauchte etwa die Frage auf, ob man denn sicher sein könne, dass jetzt angestoßene Veränderungen von dessen Nachfolger überhaupt weitergeführt werden würden. Ist in der Vakanzzeit ein Stillstand zu befürchten? Bischof Norbert meinte dazu, dass auch ein neuer Bischof die Grundlinien weiterziehen wird. Nur in Details kann ein anderer Zungenschlag erwartet werden, da man sonst ja gar keine Entscheidungen mehr treffen könnte und bräuchte. Dies gilt auch in der Vakanzzeit wo natürlich auch Entscheidungen getroffen werden (und werden müssen).
Am kommenden Tag ergriff noch einmal Christian Hennecke das Wort und nahm Stellung zur Rolle des Priesters sowie zur Frage von Fortbildungen (besser: förderliche Bildung…). Demnach sehe er sieben Punkte, die anschließend diskutiert wurden: So wird der Dienst des Priesters (von morgen) geprägt sein mehr durch „Episkope“ (wörtl: Aufsicht) als durch Management. Der Maßstab bleibt natürlich das Evangelium. Pfarrer müssen sich mehr als Netzwerker verstehen und in Pastoralteams arbeiten, die begleitet und gefördert werden müssen. Zentral für Priester bleiben weiter die Liturgie und Sakramentenspendung, sowie für ein gutes Miteinander von Einheit und Partizipation in den Gemeinde zu sorgen. Es kam zu letzten Gruppenarbeiten, einer Auswertung und zum abschließenden Mittagsessen.
Fazit mit Blick auf Sankt Michael: Es tut sich was im Bistum! Die Probleme und Chancen sind von Ort zu Ort sehr verschieden. Man kann Sankt Michael nicht mit einer Gemeinde des Eichsfeldes, einer radikalen Diasporagemeinde in der Lüneburger Heide oder in Cuxhaven vergleichen. Sankt Michael „tickt“ anders und genau dies müssen wir deutlich machen. Freilich: „Die“ Pfarrei gibt es so bald nirgends mehr. Wir werden mit einer bunten Vielfalt von kirchlicher Wirklichkeit, darunter auch lebendigen Pfarreien, rechnen müssen.