Klosterwochenende in Marienrode
Glaubenskurs 2016
Ende Januar 2016 sind wir, das sind Teilnehmer des
Glaubenskurses 2016 der St. Michaels-Gemeinde Göttingen, zum
Benediktinerinnen-Kloster Marienrode bei Hildesheim aufgebrochen. Hier wollten
wir zusammen mit P. Theo Schneider SJ und Jörg Bank das Wochenende nutzen, um
uns intensiv mit der Lehre der Kirche und dem Glauben auseinanderzusetzen. Genau
dafür bietet das Kloster das perfekte Umfeld.
Ich komme aus einer Freikirchlichen Gemeinde und wollte
diese Möglichkeit wahrnehmen, um all meine Fragen zu stellen und das Leben von
katholischen Gläubigen kennen zu lernen.
Gegen Abend kamen wir im Kloster an und konnten direkt
unsere Zimmer im Exerzitien- und Gästehaus beziehen. Die erste Veranstaltung
war das Abendessen – hier begannen wir die Klosterküche zu schätzen. Danach
ging es mit der ersten Gruppensitzung los. Der Ablaufplan wurde vorgestellt und
wir wurden gefragt, was uns besonders interessiere oder noch unklar sei, um
diese Themen an beiden folgenden Tagen
durchzugehen. Harmonisch klang der erste Abend bei einem Gläschen Wein und
guten Gesprächen aus. Ich konnte einige meiner Fragen stellen und erhielt klare
und häufig unerwartete Antworten, bei denen mir immer deutlicher wurde, dass
vieles, was ich bisher über die Katholische Kirche gehört hatte, allzu oft auf
Gerüchten und Vorurteilen beruht.
Am Samstag durften wir den ganzen Tag den Lebensrhythmus der
Schwestern teilen, der vom Stundengebet bestimmt wird, allerdings beginnt das
Morgenlob schon um halb sechs – für die meisten Kursteilnehmer noch etwas zu
früh. Nach der Messe, in der die Schwestern eindrucksvoll lateinisch singen,
psalmodieren und rezitieren und dem anschließenden Frühstück galt die erste
Kurseinheit dem christlichen Gottes- und Menschenbild, das mit Hilfe des
Gleichnisses vom Verlorenen Sohn verdeutlicht wurde (Lk 15,11–32). Ein
grundlegendes Gleichnis, in dem wir die Liebe des Vaters erkennen dürfen, die
sich auch als Begründung menschlicher Würde verstehen lässt. Darüber hinaus
kann ich mich selber in diesem Gleichnis wieder finden – ein Leben ohne Gott
führt in die Sackgasse, wie ich es viele Jahre gelebt hatte, eine Um- und
Rückkehr zu einem gottzugewandten Leben zur ersehnten Freude.
Zum
Mittagsgebet nahmen uns die Nonnen in den Kapitelsaal mit. Uns zur Freude
sangen sie diesmal auf Deutsch – Psalm 121 und 140 (unbedingt lesenswert!).
Nach dem Mittagessen gibt es eigentlich eine klösterliche Ruhezeit, doch der unermüdliche
Pater Schneider ließ es sich nicht nehmen, interessierten Kursteilnehmern den
Hildesheimer Dom St. Mariä Himmelfahrt (Weltkulturerbe, unbedingt sehenswert!) zu
zeigen und zu erklären. Hier begegneten wir anschaulich einigen Kursthemen, z.
B. 1000 Jahre alten Reliquien oder der Heilsgeschichte auf der einmaligen Bernwardtür,
vom Abfall Adams und Evas, über den Tiefpunkt des ersten Mords bis hin zu Jesu
Verurteilung, Tod und Auferstehung.
Pünktlich
kamen wir zur nächsten Lerneinheit ins Exerzitienhaus zurück: um mehr über Exerzitien
und Ignatianische Spiritualität zu erfahren. Zweimal im Leben sollte jeder
Jesuit 30 Tage am Stück aus seinem Alltag heraustreten, um eine engere
Beziehung zu Gott aufzubauen – eine reizvolle Vorstellung, wenn ich den Stress
im Leben sehe. Doch selbst Jesuiten ist das nicht immer möglich – aber wenn es
nicht gleich ein ganzer Monat sein kann, reichen uns vielleicht täglich 10 Minuten
Bibellektüre und ein persönliches Gebet: wie heißt es bei den
Benediktinerinnen: Ora et labora et lege, Deus adest sine mora – Bete und
arbeite und lies, Gott ist da ohne Verzug.
Die
erstaunliche Begegnung mit Schwester Debora wird mir und den Teilnehmern gewiss
in Erinnerung bleiben. Sie erzählte von ihrem Leben vor dem Kloster, von ihrer frühen
Leidenschaft für das Stundengebet – dem größten Ansporn, das Kloster als
realistische Option anzusehen, von den Schwierigkeiten, alles aufzugeben, was
in dieser Welt als wichtig erscheint, von den Problemen mit ihrer Familie und von
ihrer Mutter, die sie erst einige Jahre nach dem Eintritt besucht hat. Es war
eine wirklich packende Geschichte, aber noch mehr bewegte ihre Ausstrahlung.
Sie erzählte voller Freude und in jedem zweiten Satz konnte man ihre Liebe zu
Christus und Gott spüren. Sie war so erfüllt von dieser Hingabe, dass ich schon
wähnte, mich anstecken zu müssen – obwohl ich bereits bemüht bin, mit Christus
zu leben und täglich in der Bibel lese. Selbst der glaubensskeptische Friedrich
Nietzsche, so ein Teilnehmer, müsste bei Schwester Debora zugeben, dass man
nicht »erlöster aussehen« und »bessere Lieder« singen kann.
Nach
dem Abendbrot gab es filmische Exerzitien, die das Nachdenken über unsere Glaubenswege
im Glaubenskurs weiterführten. Der Spielfilm »Dein Weg« (2010) von Emilio Estevez
handelt von einem Vater, der seinen Sohn verliert und schließlich dessen begonnenen
Jakobsweg zu Ende geht. Dabei trifft er einige interessante Gestalten, die
recht individuelle Motivationen fürs Pilgern haben und auf dem Weg für sich
Antworten auf ihre Lebensfragen suchen. Auf dem Weg und schließlich angekommen
in Santiago de Compostela (= Hl. Jakobus des Sternenfeldes) machen alle auf
ihre Art und Weise eine »religiöse Erfahrung«.
Der
Sonntag hat einen eigenen Rhythmus im Kloster, bei dem für die Gäste erst das
Frühstück angesetzt ist und dann der Gottesdienst. In der Predigt ging es – durchaus
glaubenskursrelevant – um den angemessenen Umgang mit der Bibel. Die Heilige
Schrift nicht zu kennen heißt Gott nicht zu kennen, es wäre fatal, wenn wir uns
als Christen bezeichnen wollen und dabei Christus gar nicht verstehen.
Nach
der Messe ist vor der Messe – die letzte Sitzung galt der Liturgie. Die
Liturgie ist etwas Lebendiges und im Glauben von Jahrtausenden aus der
Tradition der urchristlichen Gemeinden gewachsen. Wir erfuhren Wesentliches über
die Hintergründe des Gottesdienstes, eines Dienstes an uns und für Gott. Und
dann war unsere Zeit im Kloster schon vorbei, nach dem Mittagessen mussten wir
wieder zurück nach Göttingen.
Im Rückblick betrachten die Teilnehmer
das Wochenende als einen positiven Ausbruch aus ihrem Alltag, der normalerweise
mit viel Stress verbunden ist. Auch das Zurückfinden war nicht für jeden
einfach. Gerade die Teilnehmer, für die in der Osternacht Taufe, Konversion
oder Firmung anstehen, fühlten sich durch den Aufenthalt gestärkt, obwohl und
weil mit jeder Antwort weitere Fragen auftauchen. Aber weder der Glaubenskurs
noch der individuelle Glaubensweg sind ja schon zu Ende. So gilt unser großer Dank
den vorbildliche Schwestern, Pater Theo Schneider und Jörg Bank für den
reibungslosen Ablauf des Wochenendes, für die unbeirrte Geduld mit uns und für
das aufmerksame Begleiten auf unserem Pfad. Ein derartiges Wochenende, in dem
nicht Wellness, sondern der Heilige Geist den Vorrang hat, kann ich nur
empfehlen – um Einkehr zu halten und Jesus Christus näher zu kommen, sein
Handeln auf Erden zu verstehen und die Wirkung seines Todes und seiner
Auferstehung zu erkennen.
Benjamin Pilgrim