Kirche durch die Zeit - Musikalische Pfingstvesper
In einer musikalischen Reise durch die Jahrhunderte mit Tobias Kerscher und Regina Möhring
Wie der Geist innerhalb der Kirche wirkte und immer noch wirkt, das lässt sich wunderbar an der (Kirchen-) Musik der vergangenen Jahrhunderte absehen (bzw. abhören). Diese Idee leitete Tobias Kerscher, Organist u.a. auch an Sankt Michael, beim Entwerfen der Musikalischen Pfingstvesper, die ja traditionell am 2. Feiertag anstelle der gewohnten Abendmesse steht. Als Kantorin fungierte Regina Möhring. Das Libretto listete nicht nur die gesungenen Noten und Texte auf, sondern gab auch Informationen über die Musik, die Kompositionen und deren Schöpfer.
Nach der lateinischen Eröffnung folgte der traditionelle Pfingsthymnus, der Hrabanus Maurus (+856) zugeschrieben wird: Veni creator Spiritus.
Ihm folgte ein Orgelstück: De ce fol penser - Bel fiore dança aus dem Codex Faenza (14. Jahrhundert). Der lange verschollen geglaubte Codex Faenza befindet sich heute in der Biblioteca Comunale Faenza in der Nähe von Ravenna. Die darin enthaltene Musik zählt zur ältesten, die für Tasteninstrumente überliefert ist. Als Vorlage für De ce fol penser gilt eine vierstimmige Chanson von P. de Molins. Bel fiore dança ist wohl die Bearbeitung eines Tanzes.
Es folgte ein mit der Gemeinde gesungener, pfingstlicher Psalm (Ps 104) mit dem Kehrvers: Sende aus deinen Geist, und das Antlitz der Erde wird neu.
Dann folgte ein weiteres Orgelstück: Canzon, von Heinrich Pfendner (um 1590–1631). Pfendner ließ sich nach seinen Lehr- und Wanderjahren in Würzburg nieder, wo er als Hoforganist und Kapellmeister wirkte. Die hier erklingende Canzona lebt aus dem seinerzeit beliebten Dialog zwischen Ober- und Unterstimmen. Pfendner starb vermutlich bei der Erstürmung der Feste Marienberg durch die Schweden.
Die jetzt folgende Lesung stammt aus Ezechiel 11: Ein neues Herz und ein neuer Geist, dem das Responsorium folgte. Der neue Geist ermöglicht es den Israeliten erst Gottes Gebote zu halten.
Das nächste Orgelstück hieß Toccata per il Deo gratias von Giovanni Battista Martini (1706–1784). Der Franziskanermönch Padre Martini war die Graue Eminenz der Musikszene des 18. Jahrhunderts. Obwohl er zu den einflussreichsten Persönlichkeiten unter den Komponisten und Musiktheoretikern zählte, ist er heute nur in Fachkreisen als W. A. Mozarts Kompositionslehrer bekannt. Zu seinen Schülern, die ihn so verehrten, dass sie ihn noch zu Lebzeiten „il Dio della musica de’nostri tempi“ nannten, zählten namhafte Komponisten, unter ihnen auch Johann Christian Bach.
Die Predigt nahm auf eine unlängst absolvierte Veranstaltung der Citypastoral Bezug, in der der Göttinger Herzchirurg Prof. Schöndube von seiner Arbeit berichtete. Der auferstandene Christus - so P. Hösl SJ - ist demnach, das vom Propheten Ezechiel prophezeite Herz, das Gott in den Organismus dieser Welt transplantiert hat und seitdem schlägt. Der auferstandene Christus pumpt seit Pfingsten seinen Geist durch die Adern dieser Welt.
Das nächste Musikstück hieß Prière à Notre Dame und war aus: Suite Gothique, Op. 25 von Léon Boëllmann (1862–1897). Boëllmann war Schüler von Eugène Gigout und Gustave Lefèvre. Seit 1881 war er in St-Vincent-de-Paul in Paris tätig, wo er später auch Titularorganist der preisgekrönten Cavaillé-Coll Orgel wurde. Die Suite Gothique entstand zwei Jahre vor seinem Tod zur Einweihung der neuen Orgel in der Kathedrale Notre-Dame in Dijon. Die hier erklingende Prière à Notre Dame bildet das innige Zentrum der Suite, die anschließend mit der berühmten Toccata enden würde.
Zum feierlichen Magnificat gab es Inzens. Es folgten die Fürbitten und das Vater Unser.
Das vorletzte Orgelstück war Communion Fantaisie aus: Hommage à Frescobaldi Jean Langlais (1907–1991). Der seit früher Kindheit blinde Langlais war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einer der experimentierfreudigsten Komponisten und Organisten Frankreichs. Von 1945 bis 1988 war er Titularorganist an der Pariser Kirche Ste-Clotilde. Die aus acht Sätzen bestehende Hommage à Frescobaldi ist seinem Lehrer Marcel Dupré gewidmet. Sie nimmt Melodien der Gregorianik und von Frescobaldi auf; in den hier erklingenden Sätzen Communion und Fantaisie zum Beispiel Sacris sollemniis bzw. das Kyrie der Messe Cunctipotens Genitor Deus.
Schlussgebet und Segen, sowie das kräftig gesungene Atme in mir Heiliger Geist folgten. Den Schlusspunkt bildete die Toccata on Duke Street von Gilbert M. Martin (*1941). Martin ist freischaffender Komponist und Editor von Chormusik. Er lebt in Dayton, Ohio. Im Bass der Toccata tritt die titelgebende Melodie Duke Street deutlich hervor. Sie wird John Hatton (1710–1793) zugeschrieben, über den nur bekannt ist, dass er in der Duke Street in St. Helens, England, wohnte. Zu der Melodie von Duke Street existiert eine Vielzahl englischer Hymnen-Texte, allen voran Isaac Watts Jesus shall reign where'er the sun.
Mitwirkende waren:
Liturgie: Manfred Hösl, SJ und Beate Michel
Orgel: Tobias C. Kerscher
Kantorin: Regina Möhring
Veranstalter: Citykirche St. Michael
Titeldesign / Libretto: Stefanie Florenz