Die Tobiasbruderschaft stellt ihre Arbeit vor
Reihe "Werke der Barmherzigkeit" fortgesetzt
Als einziges Werk der Barmherzigkeit ist Tote begraben nicht im großen Gleichnis vom Weltgericht (Mt 25) erwähnt. Dafür gibt es ein schönes biblisches Buch - das Buch Tobit - das sehr anschaulich von diesem Gottes-Dienst erzählt.
Trotz sehr schönem Sommerwetter fanden sich 20 Interessierte, um am späten Freitagnachmittag der Selbstvorstellung der Tobiasbruderschaft beizuwohnen. P. Hösl konnte im Namen der Citypastoral neben den Gästen Pfarrer Martin Hausschild (St. Albani) und Herrn Sebastian Plath als Mitglieder der Bruderschaft begrüßen. Zwei Roll-Ups halfen die Tätigkeit der Bruderschaft auch optisch darzustellen.
Pastor Hausschild erzählte zunächst von drei typischen Schicksalen, die von der Tobiasbruderschaft beigesetzt wurden. So unterschiedlich die Menschen gelebt hatten - irgendwie hatte es sich so gefügt, dass das Ordnungsamt nach ihrem Ableben für sie zuständig gewesen ist. Ein Friedhofsgärtner hat sich schließlich irgendwann an Pfarrer Hausschild gewandt: Könnte man da nicht ein Gebet sprechen? Das aber sollte erst der Anfang nach einer geeigneten Form von Trauerfeier für arme oder einsame Menschen sein. Daraus entwickelten sich schließlich die quartalsmäßigen Trauerfeiern mit anschließender Beerdigung auf dem Junkerberg, traditionell am ersten Samstag im März, Juni, September und
Dezember eines Jahres um 9:00 Uhr - nur an diesem Samstag, den 13.6., hatte man den Termin wegen des Kirchentags in Stuttgart, auf dem die Bruderschaft präsent war, verschoben.
Die Zahl der Beerdigungen steigt, die mit einer normalen Trauerfeier nicht mehr adäquat erreicht werden. Das hat viele Gründe: Die Angehörigen wohnen weit weg oder die Menschen leben vereinzelt und einsam, so dass kaum jemand ihr Sterben bemerkt. Man kann den Wandel der Bestattungskultur auch bei einem Spaziergang auf dem Junkerberg beobachten: Es gibt immer weniger Familiengräber und immer mehr anonyme Bestattungen, sei es auf der Obstwiese oder im FriedPark, einfach weil niemand da ist, der das Grab pflegen könnte oder weil der Verstorbene seinen Angehörigen "nicht zur Last fallen möchte".
Es gibt aber auch handfeste finanzielle Gründe, so Sebastian Plath. Immerhin kostet eine Beerdigung mindestens 3725.- EURO, Urne ohne Extras - nach Oben gibt es freilich kaum Grenzen. Das Ordnungsamt muss allerdings nach einer möglichst kostengünstigen Form suchen, so Herr Plath. Die Initiativen von Pfarrer Hausschild fanden bei dessen Kollegen der evangelisch-lutherischen Innenstadtgemeinden rasch Interesse. Auch von Seiten der Stadt, der Bestattungsunternehmer und der Friedhofsverwaltung half man gerne, so dass sich das jetzige Format herausbilden konnte. 2008 startete man mit den biblischen 12 Männern, heute hat die Bruderschaft 35 Mitglieder, darunter auch 4-5 Bestatter und einen Organist, der die Trauerfeiern begleitet. Hilfe kommt auch vom GÖTTINGER TAGEBLATT das am Samstag vor dem Beerdigungssamstag eine kostenlose Anzeige mit den Namen der Verstorbenen veröffentlicht. Den Rest erledigt die Mund-zu-Mund-Progaganda, so dass neben den offiziellen Tobiasbrüdern auch immer mehr Angehörige und Freunde der Verstorbenen kommen. Jeder und jede hat die Möglichkeit für seinen Angehörigen eine Kerze anzuzünden. Die Bruderschaft sorgt dafür, dass keine Urne ganz ohne Kerze bleibt.
Meist sind es 5-15 Urnen, die beigesetzt werden. Dieses Mal sind es sogar 20. Sollte sich das wiederholen wird man überlegen müssen die Trauerfeiern in kürzeren Abständen anzubieten. Grundsätzlich steigt die Nachfrage, so die beiden Referenten.
Bisher besteht die Bruderschaft - Nomen est Omen - nur aus Männern. Das habe nur traditionelle Gründe, so die beiden Tobiasbrüder. Und bisher waren alle ev.-luth. Innenstadtpfarrer auch alles Männer. Immerhin gibt es mit Pastorin Anke Well zum ersten Mal eine Innenstadtpastorin, so dass sich hier was ändern könnte. Freilich - Ähnliches gilt für die Frage der Ökumene - steht hier weder das konfessionelle Miteinander noch Genderthematik auf dem Prüfstand. Man möchte das Projekt so "schlank und flach wie möglich", so Pastor Hausschild. Gute Arbeit soll ohne großen Aufwand und ohne Ideologie geleistet werden können. Wer den Dienst - für alle - leistet ist zweitrangig. Seit 2008 hat die Bruderschaft 250 Menschen beerdigt.
Anschließend konnten die Gäste Fragen stellen. P. Schneider SJ sprach von einem regelrechten Erdrutsch in der Beerdigungskultur, dem die Tobiasbrüder versuchen Rechenschaft zu geben. In der Tat verändert sich die Beisetzungsform radikal und beständig. Alte Formen greifen immer weniger. Die Tobiasbrüder sind hier ganz am Puls der Zeit und loten in Pionierarbeit neue Trends aus.
Leider kennen die agierenden Pastoren der Bruderschaft ihre Toten meist nicht. Und selbst wenn, dann wäre es nicht gut den "Bekannten" zu bevorzugen. Meist aber sind überhaupt nur ganz wenig Daten über die Verstorbenen eruierbar. Immer aber werden die Namen und das Alter vorgelesen und es gibt das Kerzenritual, so dass die Angehörigen aktiv etwas beitragen können. Zur Trauerfeier läuten stets alle Glocken der evangelischen Innenstadtkirchen - ein kleines Zeichen der Anteilnahme der Gemeinde, das freilich Zeit braucht um als solches wahrgenommen zu werden. Übrigens läuten auch die Glocken von Sankt Michael - Samstag ist ja immer um 9:00 Uhr Messe...
Wer wollte, der war am Schluss der informativen Veranstaltung eingeladen am Folgetag, Samstag, den 13.6. um 9:00 Uhr auf dem Junkerberg die Probe aufs Exempel zu machen. Da findet die Trauerfeier mit den bisher meisten Urnen statt: 20 Göttingerinnen und Göttinger sollen nicht sang- und klanglos verschwinden...