Geistlicher Impuls zum Samstag der Dritten Fastenwoche
Von einem, der nicht loslassen wollte ...
Das Evangelium und andere Texte für den heutigen Tag finden Sie in der Online-Kalender-Version des Schott-Messbuches der Erzabtei in Beuron.
IMPULS
Ein Kind spielt mit einer kostbaren chinesischen Vase und steckt die Hand hinein – kann sie aber nicht mehr herausziehen. Die Eltern reden dem Kind gut zu, drehen und winden die Vase vorsichtig hin und her. Auch nachdem Seife das Händchen glitschig gemacht hat, lässt sich es sich nicht aus der Vase ziehen. Weil Panik droht, muss die Vase kaputtgeschlagen werden. Da sieht man, dass das Kind eine Faust gemacht hat, dadurch ist das Händchen um die entscheidenden Millimeter zu dick gewesen. Als es dann die Faust langsam öffnet, kommt eine Geldmünze, die das Kind wohl auf dem Boden der Vase entdeckt hatte, zum Vorschein.
An diese Geschichte dachte ich, als ich gestern etwa ein Dutzend durchtrainierter Männer um die 30 ankommen sah, wie sie einen Corona-gesperrten Gymnastikpark erkletterten und trotz aller Warnungen in unmittelbarer Nähe zueinander schwitzend trainierten, Kraft und Unangreifbarkeit demonstrierend.
Nicht nur hier fragt man sich: Wie viel im Leben geht kaputt, weil ein Mensch verkrampft an etwas oder jemandem festhält und glaubt: Das ist es; das bringt es; das muss jetzt unbedingt sein.
Wie viele Lebenssituationen gibt es, in denen man sich fragen müsste: Sind wir gerade dabei etwas Kostbares zu zerschlagen, nur weil wir nicht von einer Idee, einem Wunsch oder einer Gewohnheit lassen können?
Die Anregung mit der Geschichte stammt aus einem Büchlein des Jesuiten Willi Lambert. Er hat es für alle geschrieben, “die ein liebevolles Miteinander lernen wollen“. In den Tagen von Corona würde er seinen 10 Hinweisen, "wovon die Liebe lebt" (so der Titel) sicher hinzufügen: vom Verzicht und vom Loslassen können.
Wer in diesen Zeiten nicht loslassen und nicht verzichten kann, der interessiert sich nur für sich selbst, dem sind die Anderen egal.
Theo Schneider SJ