Geistlicher Impuls zum Montag in der Fünften Osterwoche

Notwendige Enttäuschungen

Das Evangelium und andere Texte für den heutigen Tag finden Sie in der Online-Kalender-Version des Schott-Messbuches der Erzabtei in Beuron.

 

IMPULS

 

Wunderheilung, religiöse Begeisterung, dann der Umschlag in Gewalt – in der heutigen Lesung aus der Apostelgeschichte (Apg 14) ist einiges los. Erzählt wird, wie die Missionare Paulus und Barnabas in einer Stadt namens Lystra den christlichen Glauben verkünden. Davon lässt sich ein Gelähmter so sehr beeindrucken, dass es zu einer Wunderheilung kommt.

Ein Erfolg, möchte man denken. Aber einer mit fatalen Konsequenzen. Denn die Bevölkerung ist auf ihre Weise religiös ansprechbar: Die Leute ordnen die christlichen Missionare sofort in die gewohnten Kategorien ihres polytheistischen Weltbildes ein, erklären sie kurzerhand zu Göttern in Menschengestalt und wollen sogar Stiere für sie opfern. Die beiden haben alle Mühe, die religiöse Zudringlichkeit abzuwehren, und beharren auf dem biblischen Gottesglauben, der
– religionskritisch – auf dem Unterschied von Gott und Welt besteht.

Der biblische Gott lässt sich auch nicht so ohne weiteres für religiöse oder sonstige Erwartungen funktionalisieren. Und so schlägt – der Ausschnitt der Lesung lässt das leider aus – die Begeisterung in Gewalt um. Enttäuscht von der Verweigerung der beiden Glaubensboten, ihre religiösen Erwartungen zu befriedigen, zusätzlich aufgestachelt von Gegnern der christlichen Mission, wollen die Leute Paulus lynchen.

Mit Mühe können sich die Missionare retten. Eine zwar farbige, aber doch bestenfalls historisch interessante Geschichte?
Immerhin könnte man fragen:

Gesellschaftskritisch: Ist uns der Mechanismus so fremd, manche Leute mit überzogenen Erwartungen zu behängen, sie zum Idol zu verklären, um sie dann, wenn sie sich auch nur als „normale“ Menschen erweisen, umso gnadenloser fallen zu lassen? Erst „hochschreiben“, dann medial vernichten?

Religiös: Kann ich es aushalten, dass Gott meine Erwartungen vielleicht nicht erfüllt? Dass er sich nicht einfach für meine spirituellen Bedürfnisse funktionalisieren lässt?


Clemens Maaß SJ