Wild, Wild West – Eindrücke aus meinem Terziat in Portland, Oregon
Am 18. Oktober hatte es dann endlich geklappt: mit einem US-Visum im Reisepass bin ich von Frankfurt nach Portland, ganz im Westen der USA, geflogen, um mein Terziat zu absolvieren.
Damit bin ich sechs Wochen nach dem eigentlichen Start des Programms angekommen. Diese sechs Wochen habe ich in München verbracht und das hat sich in verschiedener Hinsicht als sehr segensreich herausgestellt. Nicht nur, dass ich viele Familien- und Freundesbesuche machen konnte, ich wurde zudem von der Münchner Sankt Michaels Kommunität überaus freundlich aufgenommen und schnell in den Dienstplan integriert. So durfte ich in der Kirche tätig sein, die damals, in meinem ersten Leben vor dem Ordenseintritt, eine sehr wichtige Rolle in meinem Entscheidungsprozess gespielt hat.
In Portland angekommen fand ich ein schweigendes Haus vor: Die „Pünktlichen“ waren bereits im zweiten Drittel der 30tägigen Schweigeexerzitien. Wir Nachzügler – insgesamt drei – werden diese im Februar machen. Das Terziat ist der letzte Ausbildungsabschnitt im Jesuitenorden. Herzstück dieser Zeit sind die 30tägigen Exerzitien, so wie sie unser Gründer Ignatius von Loyola entwickelt hat: eine Zeit des sehr intensiven Betens und Erforschens des eigenen Lebens und der Beziehung mit Gott. Zudem gibt es im Terziatsprogramm Studien- und Praktikumsblöcke. In den aktuellen Studienblöcken, z.T. mit externen Referenten, behandeln und diskutieren wir die Geschichte des Ordens, unsere Gründungstexte, die Konstitutionen und Ordensnormen und so manch andere für unser Ordensleben relevante Themen.
Das Spannende und überaus Bereichernde bei dieser Reflexion ist der Austausch in der Gruppe: Wir sind elf Terziarier und drei Instruktoren. Diese drei Patres, die uns auch in den Exerzitien begleiten, haben einen unglaublichen Erfahrungsschatz aus Ihrer Zeit im Orden und ihren bisherigen Aufgaben (z.B. als Provinzial, Novizenmeister, High School President, mit einer Lehrtätigkeit, ...).
Aber auch die weltweiten Erfahrungen, die wir Terziarier zusammentragen, sind eindrücklich. Wir kommen aus Äthiopien, Sambia, dem Libanon, Polen, Deutschland, Sri Lanka, Vietnam, Guatemala, Mexiko und den USA und waren schon in vielen anderen Ländern vom Orden eingesetzt. Die Erzählungen sind vielfältig, wenngleich auch ab und zu bedrückend, z.B. wenn von den Kriegserfahrungen im Libanon oder der Organisation von Flüchtlingscamps in Westafrika berichtet wird. Immer aber geben sie eine Antwort darauf, wie wir als Jesuiten versuchen, uns den Herausforderungen in der heutigen Welt zu stellen und wie wir uns bemühen, unseren Auftrag – den Seelen zu helfen heißt es in der Gründungsurkunde – zu erfüllen.
Eine (wieder) neue Erfahrung für mich ist, dass ich am Wochenende nicht arbeite – auf Grund verschiedener (nicht unbedingt nachvollziehbarer) Regelungen hier im Bistum, dürfen wir in den umliegenden Gemeinden nicht bei Gottesdiensten etc. aushelfen. Und so nutzen wir die freie Zeit, um die Umgebung zu erkunden. Hier kommt mir meine späte Ankunft zugute: Ich hatte die Zeit im „schweigenden Haus“ genutzt, um den US-Führerschein zu machen, was wegen der Versicherungen notwendig ist. Und so sind wir nun im wilden Westen der USA unterwegs, Ihr seht Bilder vom Pazifik (die Sonnenuntergänge dort sind schon sehr besonders), Seattle (wir waren u.a. in der Boing-Fabrik) und dem Smith Rock State Park (da könnte man jeden Winnetou-Film drehen), aber natürlich auch von einem Football Game unserer Jesuit High School in Portland (schließlich muss auch die US-Kultur etwas erforscht werden).
Und Ihr seht, es geht mir ziemlich gut, wenngleich ich SAMIKI und die khg: Göttingen schon öfters mal vermisse. Nach den Weihnachtstagen werde ich übrigens Vincent Strand SJ und seine Familie treffen – an seine Besuche und speziell seine Zeit in Göttingen könnt Ihr Euch sicher noch erinnern.
Euch und Ihnen wünsche ich eine frohe und gesegnete Advents- und Weihnachtszeit - im Gebet sind wir verbunden!
Herzlich
Hans-Martin Rieder SJ