Wer war Maria Magdalena?
Vortrag von P. Christoph Wrembek SJ
Wieder einmal konnte sich die Citypastoral über ein reges Interesse an ihrer Veranstaltung freuen. Diesmal stand Maria Magdalena im Zentrum des Abends, und es ging um den Versuch, dieser sagenumwobenen Gestalt aus dem Neuen Testament ein wenig auf die Spur zu kommen.
Bereits nach den ersten Sätzen des Referenten P. Christoph Wrembek SJ war allen klar, dass hier jemand sprach, den das Thema Jahrzehnte hindurch nicht nur beschäftigt, sondern regelrecht in seinen Bann gezogen hatte. In einer breit angelegten Forschungsarbeit „auf eigene Faust“ hatte er sich von vielen als wissenschaftlich fundiert geltenden Lösungen frei gemacht, um selbst aus den Ergebnissen von Archäologie, Geschichtsschreibung und Exegese viele kleine Mosaiksteinchen zu sammeln und sie dann zu einem verblüffend originellen Gesamtbild zusammenzusetzen.
So entfaltete er vor dem inneren Auge der Anwesenden ein facettenreiches, farbenprächtiges Bild der antiken multikulturellen, reichen Handelsstadt Tarichea/Magdala am See Gennesaret. Und im regen Treiben dieser Stadt rückte er dann eine äußerst wohlhabende Frau in den Fokus – vielleicht sogar eine Bankerin –, die sich in gehobenen Kreisen als eine Art Gesellschaftsdame bewegte: Maria, die „sogenannte“ Magdalenerin.
Diese Namensbezeichnung aus dem Lukasevangelium (8,2) lässt aufhorchen und ermutigt P. Wrembek, im Gegensatz zur übereinstimmenden Meinung mehrerer bekannter Exegeten, die in Magdala zu äußerem Erfolg gelangte Maria mit der nicht namentlich genannten „Sünderin“ aus Lukas 7,37ff. und der Schwester von Lazarus und Marta aus Betanien (vgl. Lk 10,39ff. und Joh 11) gleichzusetzen. Zur Untermauerung dieser These hat der Referent eine Fülle von Einzelinformationen aus den Evangelien in ungewöhnlicher Weise miteinander verknüpft und auch mehrfach offizielle Bibelübersetzungen ohne Scheu demontiert. So präsentierte er dem überraschten Publikum eine „sogenannte“ Magdalenerin, die durch eine erste Begegnung mit Jesus einen radikalen Wendepunkt ihres Lebens erfährt, in der grenzenlosen Barmherzigkeit des Meisters eine neue Dimension der Liebe kennen lernt, mit seiner Hilfe zur Versöhnung mit ihrer Ursprungsfamilie in Betanien gelangt und im Dienst an Jesus und seinen Jüngern eine tiefe Sinngebung für ihr weiteres Leben findet.
Nicht alle Anwesenden waren bereit, sich auf diese ganz persönlich engagierte Art der Exegese einzulassen. Eine Grundsatzfrage blieb jedoch gleichsam im Raum stehen: Welches Maß an subjektiver innerer Teilnahme des Exegeten darf bzw. muss eine wissenschaftliche Bibelforschung dulden, wenn sie nicht steril bleiben, sondern Impulse für einen lebendigen Glauben geben will?