Was glauben und wie leben eigentlich die Göttinger Mennoniten?
Mit der Citypastoral zu Gast bei einer der ältesten Täuferkirchen
Die Göttinger Mennoniten sind eine kleine und auch zunehmend ältere Schar. Zum großen Gebiet der hiesigen Gemeinde gehören gerade mal 35 Mitglieder, von denen es so 10 - 15 zum monatlichen Gottesdienst schaffen. Oft müssen hier große Entfernungen zurückgelegt werden und nicht jede(r) kann noch Auto fahren. Über die weitere Zahlen Deutschland- bzw. weltweit informieren viele Artikel, z.B. in WIKIPEDIA oder die Homepage der Mennoniten.
Spannender als diese Informationen aber ist es Mennoniten persönlich kennenzulernen, was am Donnertagabend möglich geworden war. Prediger Werner Wiebe (übrigens ein typischer Mennonitenname...), seine Frau und einige Gemeindemitglieder waren in die Räume der theologisch verwandten Baptistengemeinde gekommen, wo die Göttinger Mennoniten Unterschlupf gefunden haben. Die Baptisten sind zahlenmäßig viel größer, aber dafür sind die Mennoniten viel älter. Ihre Wurzeln liegen - so Werner Wiebe - in der Reformationszeit. Dort hat der friesische Gründer Menno Simons (1496-1561) seine (wieder-) täuferische Kirche gegründet.
Die Göttinger Mennoniten wohnen im Gebiet von Göttingen, Dransfeld, Kassel, Gudensberg und Bebra. Einige wohnen in und um Braunschweig. Von daher sind die Wege manchmal doch sehr lang. Die Wurzeln der hiesigen Mennoniten reichen bei Julia bis nach Holland, bei Frau Wiebe bis nach Paraguay und bei einem anderen, 85jährigen Gemeindemitglied, bis nach Ostpreußen. Eine junge Frau spricht mit amerikanischem Akzent und mit der Welle von Russlanddeutschen haben diese Mennoniten inzwischen die traditionellen deutschen Mennoniten praktisch überholt. Die Mennoniten sind also letztlich katholisch, d.h. universal...
Werner Wiebe ist ihr Prediger, eine Art nebenamtlicher Pastor. Zwar haben die Mennoniten auch richtig theologisch ausgebildete Theologen, viele aber machen eine Bibelschule oder erwerben sich nebenbei theologisches Grundwissen, um in der Gemeinde predigen zu können. Auf viele Fragen konnte er keine einheitlich "mennonitische" Antwort geben, denn viele Dinge werden von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich gehandhabt. So gibt es derzeit Gemeinden, in denen Frauen als Pastorinen fungieren und andere, wo dies (noch) nicht möglich ist. Das Spektrum reicht von sehr konservativ bis hin zu sehr liberal. Generell sind in Deutschland die alten Gemeinden eher liberal, während die neuen, russlanddeutschen Gemeinden eher konservativ sind.
Wichtig ist bei den Mennoniten die Taufe. Sie wird ab ca. 14 Jahren gespendet und ähnelt in vielem einer katholischen Firmung. Der Täufling muss sich intensiv vorbereiten, einen Unterricht absolvieren und wird dann getauft. Die Taufe erfolgt nicht wie bei den Baptisten durch Untertauchen, sondern durch Besprengung. Die Taufe der Mennoniten wird von den anderen Kirchen, auch der katholischen, (meist) anerkannt. Damit aber deutlich wird, dass auch ungetaufte kleine Kinder schon unter Gottes Schutz stehen gibt es eine Kindersegnung, die in vielem einer Taufe ähnelt.
Beim Abendmahl tun sich die größten theologischen Gräben, besonders gegenüber Katholiken, auf. Das Verständnis folgt der reformierten Tradition, die Brot und Wein nur als Symbole für Jesus versteht. Das Abendmahl wird eher selten gefeiert, dafür aber unter beiderlei Gestalten. "Im Abendmahl wird mir bewusst, was es Gott gekostet hat mir meine Sünden zu vergeben", so Werner Wiebe zu seinem persönlichen Abendmahlsverständnis.
Bekannt sind die Mennoniten auch für ihre Friedensarbeit in der Welt. Allerdings sind nicht alle Mennoniten Kriegsdienstverweigerer oder Pazifisten. Aber besonders seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts hat die Friedensarbeit an Stellenwert in der Kirche zugenommen.
Die Mennoniten finanzieren sich ausschließlich über freiwillige Spenden. Während Werner Wiebe die Lage der Mennoniten weltweit eher positiv sieht, ist er - was die Lage in Deutschland angeht - eher pessimistisch: "Wir werden halt weniger und älter und irgendwann..." Er mag den Satz gar nicht ganz zu Ende sprechen. Vielleicht drehen ja die eingewanderten Russlanddeutschen noch das Rad herum? Grund für den Rückgang könnte auch sein, dass die Mennoniten keinesfalls aggressiv missionieren wollen. Zwar hält man mit dem eigenen Glauben nicht hinter dem Berg, aber aufdringliches Predigen oder gar Klingelputzen, das ist unvorstellbar. Allerdings ergibt sich etwa beim Frauenfrühstück, zu dem auch Nichtmennonitinnen bzw. Nichtchristinnen eingeladen werden, hier und da mal eine Gelegenheit vom Glauben zu erzählen.
Die Mennoniten hatten für den Abend "Mennonitenkekse" gemacht, ein Hefeteiggebäck. Es gab Käse und Mate-Tee. In Lateinamerika, wie auch in Teilen Afrikas, gibt es starke und große Gemeinden. In Paraguay z.B. werden 80% der Milchwirtschaft von den dortigen Mennoniten erwirtschaftet.
Um 21:00 Uhr beschlossen P. Hösl und Herr Wiebe mit Dank und Segen den spannenden Abend. Wie zu Beginn wurde noch einmal zum Mennonitengesangbich gegriffen. "Lobe den Herren", dort Nr. 32, im Gotteslob 258. Und bis auf ein paar Ausdrücke fast der gleiche Text. Ein gutes Bild für die Ökumene: Obwohl an ein paar Stellen unterschiedlich gesungen wurde, ein sehr harmonischer Abend...