Was die UNO nicht versteht...
Ein Kommentar von P. Bernd Hagenkord (Radio Vatikan) zur diskutierten Verlautbarung
Mit etwas Entsetzen habe ich gerade den Bericht gelesen, den die UN-Organisation zu Kinderschutz über den Vatikan verfasst hat. Da stehen viele wichtige Dinge drin, da wird der Vatikan gelobt – was die Nachrichtenagenturen und Webseiten nicht bringen – und da wird der Vatikan gerügt, worauf schon bei der Anhörung mit der Versicherung reagiert wurde, dass man alles tun werde, um dahin zu kommen, dass Kinder wirklich und effektiv geschützt würden. Das Lob bezieht sich ganz zu Beginn des Reports dann auch auf die bisher gegangenen Schritte, auf die vom Vatikan eingeführten gesetzlichen Regelungen. Die Rügen beziehen sich auf die noch nicht gemachten Schritte, und da wird noch einiges passieren müssen.
Mein Entsetzen bezieht sich auf etwas anderes. Es bezieht sich darauf, dass die UN offenbar nicht verstanden hat, was der Vatikan ist. Er ist keine NGO (keine Woche vergeht, in der der Papst das nicht in einer Morgenpredigt sagt) und keine Zentralbehörde der Weltkirche. Der Bericht will zum Beispiel in Nr. 17 einen Kontrollmechanismus, mit dem der Vatikan die Ausgaben der gesamten Kirche für Kinder überwachen soll. Der Bericht schlägt ebenfalls vor, dass eine Ansprechstelle geschaffen werden soll, die für alle Kinder auf der Welt, die in katholischen Schulen sind, erreichbar ist. Wie viele Sprachen sollen denn da vorgehalten werden? Die UN stellt sich eine Zentralbehörde vor oder einen Staat, das ist die Kirche aber nicht.
Zentrale Kontrollstelle Vatikan
Wenn Kindern geholfen werden soll und wenn ihre Rechte und ihre Unversehrtheit garantiert werden soll, dann braucht es klare Aussagen aus dem Vatikan, und die gibt es. Konkret werden muss es dann aber vor Ort. Die UN versteht nicht, wie die Kirche funktioniert und deswegen sind einige ihrer Vorschläge völlig irreal.
Leider gibt es noch weitere Unklarheiten, die den Bericht eintrüben: Punkt 43 spricht über die Beichte, also ein Schweigen in einem klar definierten Bereich, tut dann aber so, als ob das für alles Schweigen in der Kirche gelte. Dabei ist es doch genau umgekehrt: Das Zudecken und Vertuschen ist eben nicht von Sakramenten gedeckt. Im Punkt 44 wird dann gefordert, dass alle Fälle von Missbrauch den Strafverfolgungsbehörden automatisch gemeldet werden. Es gibt einige Länder – zum Beispiel Deutschland – die diese Pflicht aus guten Gründen nicht eingeführt haben. Der Vatikan besteht deswegen richtigerweise darauf, dass man sich an die Gesetze des Landes und der Kirche hält. Hier verkennt die Kommission die Rechtslagen in verschiedenen Ländern.
Unkenntnis
Und da ist noch etwas anderes: Die Lehre der Kirche zur Homosexualität ist umstritten. Aber soweit können wir uns mindestens einigen, dass Diskriminierung nicht erlaubt ist. Genau das sagt der Katechismus der Katholischen Kirche. Wie das nun zu sozialer Stigmatisierung beitragen soll, wird mir nicht klar. Das behauptet das Papier aber. In den Punkten 25-27 wird mehr insinuiert als bewiesen, dass kirchliche Lehre zu Gewalt und Diskriminierung führt. Ähnliches wird dann über die Gender-Debatte gesagt, die Kirche vertrete hier eine Lehre der Unterscheidung zwischen männlich und weiblich, die so wie sie vertreten würde zu Diskriminierung führe. Wie gesagt, man kann ja verschiedener Meinung sein, aber es kann nicht die Aufgabe der UNO sein, eine Gender-Ideologie für alle vorzuschreiben.
Ganz absurd wird das dann in Punkt 55: Die Kirche soll ihre Lehre zu Abtreibung ändern. Das Kirchenrecht soll geändert werden und die Kirche soll zulassen, dass unter bestimmten Umständen Abtreibung zulässig ist. Das ist ein Eingriff in die Lehre der Kirche und damit die Religionsfreiheit, der so nichts in einem UNO-Bericht zu suchen hat. Nur noch kopfschütteln kann ich dann über eine vorgeschriebene Weise, die Bibel zu lesen (Nr. 40): Es geht um körperliche Züchtigung und der Vatikan möge doch bitte eine bestimmte Lesart vorgeben. Ich stelle mir das weltweite Kopfschütteln aller Wissenschaftler – Historiker, Theologen, Exegeten, Literaturwissenschaftler – vor: Die UNO schreibt vor, wie Texte zu interpretieren sind.
Es ist in Sachen Kinderschutz einiges geschehen, weiteres muss noch geschehen, das macht der Bericht klar. Aber das alles geht unter, wenn daneben offenbar unerfüllbare und auf Unverständnis beruhende Behauptungen oder Vorschläge Platz finden, von Ideologie ganz zu schweigen. Der Kinderschutz ist zu wichtig, als dass ihn zu anderen Zielen verzwecken darf.
Quelle: Newsletter Radio Vatikan / Rom
Einen Bericht der TAGESSCHAU können Sie hier einsehen.
Eine weitere Einschätzung des Berichtes der UN-Kinderrechtskomitees (UNCRC) sowie der bisherigen Reaktion des Vatikan gibt der Vizerektor der Gregoriana-Universität, P. Hans Zollner SJ hier.