Sentire cum Ecclesia - Ignatius von Loyola und seine innerkirchliche Reformation
Was tun, wenn ich mit den Geboten der Kirche nicht einhergehen kann?
Zur dritten und letzten Fastenpredigt in Sankt Michael im Reformationsgedächtnisjahr 2017 war Pater Niccolo Steiner SJ nach Sankt Michael Göttingen gekommen. Im Gottesdienst um 11.30 predigte er zum Thema: „Fühlen mit der Kirche!“.Der Frankfurter Kirchenhistoriker hat eine Promotion über das Konzil von Trient geschrieben, das (auch) eine Reaktion auf die Reformation war.
Steiner berichtete zu Beginn seiner Predigt von einer Tagung in Freiburg, auf der ihm wieder einmal bewusst wurde, dass Kontroverstheologen (Theologen, die sich mit anderen Religionsgemeinschaften, Andersgläubigen oder innerkirchlichen Abweichlern auseinandersetzen) einen schweren Stand haben, denn sie gelten als ungenau, langatmig und störend. Auch das Konzil von Trient (1545-1563), auf dem vor allem um eine Antwort auf die Reformation gerungen wurde, gelte als kontrovers, erklärte Pater Steiner SJ. „Ist die Lehre der Kirche nicht an sich schon kontrovers? Bedarf es nicht der Kontroverse für die Wahrheitsfindung?“ fragte Pater Steiner die Zuhörer in der Citykirche am Sonntagvormittag. Der Jesuit hielt fest, dass die Wahrheit und ihre Interpretation immer erkämpft werden muss. Das gelte für das 16. Jahrhundert und das gelte heute. Steiner bemerkte aber auch, dass der Verstand bei diesem Prozess nicht ausgeschalten werden dürfe. Das Ausschalten gehe nur zwei Generationen gut. Denn durch das Ausschalten des Verstandes bestehe die Gefahr, dass die Zukunft des Glaubens verspielt würde, so Niccolo Steiner.
Entscheidend war für den Prediger auch die Kirchlichkeit. Ignatius von Loyola (1491-1556) schreibt darüber im Kapitel „Regeln für das wahre Gespür, das wir in der streitenden Kirche haben müssen“ in seinen „Geistlichen Übungen“ aus den 1520er und 1530er Jahren. In einer Zeit, die geprägt ist von Humanismus, Revolution, der Entdeckung der neuen Welt und in der Europa nicht mehr der Mittelpunkt der Erde ist, lehnt Ignatius nicht die intellektuelle Auseinandersetzung ab, aber er vertraut auf die hierarchische Kirche, so Steiner. Denn die hierarchische Kirche ist die Braut Christi, die er erwählt, mit dem Heiligen Geist ausgestattet hat und trägt, sagte der Geistliche.
Besonders die 13. der 18 Regeln hob Steiner heraus: „Wir müssen immer festhalten, um in allem das Rechte zu treffen: Von dem Weißen, das ich sehe, glauben, dass es schwarz ist, wenn die hierarchische Kirche es so bestimmt, indem wir glauben, dass zwischen Christus unserem Herrn, dem Bräutigam, und der Kirche, seiner Braut, der gleiche Geist ist, der uns leitet und lenkt zum Heil unserer Seelen. Denn durch den gleichen Geist und unseren Herrn, der die Zehn Gebote gegeben hat, wird gelenkt und geleitet unsere heilige Mutter Kirche.“
Niccolo Steiner räumt ein, dass sich das zunächst so anhört, als würde der Kirche unendliche Macht und Autorität gegeben. „Auch dem Missbrauch scheint Tor und Tür geöffnet.“, sagte der Dozent für Kirchengeschichte an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen der Jesuiten in Frankfurt/Main. Darum ging es Ignatius aber nicht, erläuterte Steiner aber sogleich: „ Es ging ihm nicht um eine naive Stärkung der Autorität!“. Vielmehr, sagte der Prediger, hält Ignatius fest, dass in der Kirche der Geist handelt, der auch bei der Abfassung der 10 Gebote gehandelt hat. Es geht um das Heil der Seelen und „nur“ in den Fragen des Glaubens und der Sitte muss der Katholik glauben, dass das Weiße schwarz ist, wenn die Kirche es sagt, erläuterte Pater Steiner SJ. Wichtig ist dem Jesuiten auch, dass die Autorität von Vertrauen lebe, das auch verloren gehen kann, was auch täglich erlebbar sei. Man müsse aber auch glauben, dass die Kirche es gut mit einem meint und eine Hilfe zum Glauben bieten könne, erläutert Niccolo Steiner.
Pater Steiner SJ forderte die versammelte Gemeinde auf, auch Fragen zu stellen, denn ein mündiger Christ darf oder muss sogar Fragen stellen. Dabei sei aber auch zu berücksichtigen, dass es eine Hierarchie der Wahrheiten und Wichtigkeiten gebe. Die Frage nach Gott ist wichtiger als Alltagsfragen, sagte Steiner. Außerdem betonte der Geistliche, dass es wichtig ist, wie Fragen gestellt werden. Nämlich mit Respekt vor der Sache und mit Respekt vor den Menschen, sagte der Prediger. „Man könne Fragen nicht mit einem Ultimatum versehen“, hielt Niccolo Steiner fest, denn Antworten wird es nicht immer geben, da manches zu komplex oder noch nicht ausreichend geklärt ist. Immer wieder, bei allen möglichen Fragen, stellte der Jesuit heraus, sollten wir eher versuchen zu verstehen als zu verurteilen.
Am Schluss seiner Ausführung zitierte Pater Steiner SJ die Pastoralkonstitution Gaudium et Spes. Dort heißt es in der Nummer 92: „Es gelte im Notwendigen Einheit, im Zweifel Freiheit, in allem die Liebe.“ Die Art des Ringens müsse nach Steiner das Christliche erkennen lassen. „Das Fühlen mit der Kirche macht die Welt nicht perfekt aber ein wenig besser.“, schloss Niccolo Steiner seine Predigt.
Marcus Grabisch