Prof. Ringleben predigt über die Freiheit des Christenmenschen
Praktikant Marcus Grabisch fasst die zentralen Gedanken zusammen
Am 2. Fastensonntag, dem 12.03., begann die Reihe der Fastenpredigten in Sankt Michael mit einem hochkarätigen Prediger. Prof. Joachim Ringleben, ein ausgewiesener Lutherkenner, langjähriger Professor der hiesigen theologischen Fakultät und Altabt von Bursfelde ging in seiner Predigt vom Pauluswort aus: „Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.“ (2. Korinther 3,17).
Freiheit ist ein Phänomen, das den Menschen immer schon beschäftigt. Heute kennen wir die Freiheit im privaten Bereich, in der Wissenschaft und der Wirtschaft, eröffnet Ringleben seine Worte an die zahlreich versammelte Gemeinde.
„Aber gibt es auch ein spezifisch christliches Verständnis von Freiheit?“, fragte der Prediger. Martin Luther bezeichnete die Theologie als Wissenschaft der menschlichen Freiheit. Durch die Taufe ist der Mensch frei gemacht. Auch hob Prof. Ringleben in seiner Predigt hervor, dass das Thema Freiheit an zentralen Stellen im Neuen Testament, etwa bei dem Evangelisten Johannes und dem Völkerapostel Paulus zu finden ist. Oft in Verbindung mit Wahrheit und Geist.
Der Titel der Fastenpredigt „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ ist zugleich auch der Titel einer Denkschrift Luthers, die im Jahr 1520 erschien. Dieses Traktat ist an Papst Leo X. gerichtet und ist ein Versöhnungsangebot an die römische Kurie, weiß Prof. Ringleben zu berichten. Darin hält Luther fest, dass die Freiheit den Christen erst zum Christen macht. In seiner Predigt greift der ehemalige Abt von Bursfelde zwei Thesen Luthers aus dieser Schrift auf. „1. Der Christ ist freier Herr über alle Dinge und niemandes Untertan. 2. Der Christ ist ein dienstbarer Knecht der Dinge und jedermann Knecht.“ Luther sagt, dass die Freiheit im Glauben beides braucht. Im weiteren Verlauf seiner „Lehrpredigt“, wie Joachim Ringleben sie selber nennt, entschlüsselt er Luthers Theologie der Freiheit.
Martin Luther schreibt, dass der Mensch beides ist, Herr und Knecht. Denn der Mensch ist zugleich neuer, innerer, geistlicher Mensch und alter, äußerer, leiblicher Mensch. „Wodurch wird der Mensch aber ein neuer, innerer, geistlicher Mensch?“, fragt Prof Ringleben. Für Martin Luther kann nichts Äußerliches die Seele frei machen. Nur das Kommen Gottes zu uns Menschen macht uns frei. Gott kommt aber nicht irgendwie, sondern in seinem Wort und dieses Gottes Wort, macht uns frei. Der Mensch ist von sich aus nicht frei. Denn er macht immer wieder die Erfahrung des unerfüllbaren Gesetzes. Aber Gott kommt den Menschen zu Hilfe und befreit ihn. Joachim Ringleben lässt in seiner Predigt immer wieder Martin Luther durch viele Zitate zu Wort kommen. Martin Luther ist überzeugt, so Ringleben, dass Gott den Menschen von seinem krankhaften Selbstbezug und sein In-Sich-Gefangen-Sein befreit. Überhaupt ist Glaube für Martin Luther die Befreiung von uns selber. Gott ist es, der allein fordert und der allein erfüllt. So - nach Prof. Ringleben - Martin Luthers Sicht. Denn im Wort kommt Gott in die Seele. Das Wort Gottes ist in der Seele und nicht das Werk. Wichtig für Martin Luther ist „sola fidei“, der Glaube allein. Der Glaube des Herzens ist wichtig, die Werke sind zweitrangig. Denn der Glaube ist die Freiheit, hält Prof. Ringeleben fest und zitiert noch einmal Martin Luther: „Glaubst du, so hast du, glaubst du nicht, so hast du nicht.“
Christus im Wort und die Seele im Glauben müssen für Martin Luther eins werden, bemerkt der Prediger. Ringleben sagt, dass für Martin Luther Wort und Seele zu Braut und Bräutigam und ein „Leib“ werden müssen. Durch die Vermählung wird „die Sünde in Christus ersäuft“ und darin geschieht wahre Befreiung, gibt Joachim Ringleben Luthers Theologie wieder. Dadurch wird der Mensch zu einem neuen, inneren, geistlichen Menschen.
Das allgemeine Priestertum aller Getauften vollendet die Freiheit. Denn durch das allgemeine Priestertum können die Menschen füreinander im Gebet einstehen, fährt der Prediger fort, bevor er sich zum Abschluss noch kurz Luthers zweiter These widmet.
Der Mensch ist nicht nur neuer, innerer, geistlicher Mensch, sondern auch alter, äußerer, leiblicher Mensch. Der Mensch kann nicht nur glauben, er braucht auch die Werke. Prof Ringleben sieht darin so etwas wie eine christliche Ethik.
Der Glaube muss sich im irdischen Leben betätigen, denn der Glaube drückt sich in Liebe aus, sagt der evangelische Theologe. Der Glaube von (etwas) wird zu einem Glauben für (etwas oder jemanden). Prof. Ringleben plädiert mit Martin Luther dafür, dass die Freiheit den Mensch frei für die Liebe macht. Der Christ muss im Tun der „imitatio Christi“, also der Nachahmung Christi folgen. Denn der Christ ist durch Gott frei und kann sich deshalb zum freiwilligen Diener machen, für den Nächsten.
Joachim Ringleben sagt, dass Freiheit nach Martin Luther die Einheit von Glauben und Liebe bedeutet. Der Mensch kann nicht nur im Glauben bleiben. Der Mensch kann nicht in Gott sein, wenn er nur in ihm sein will. Der Mensch muss auch lieben. Der Mensch kann in Gott sein, wenn er nicht nur in ihm sein will. Im Nächsten findet der Mensch Gott wieder, denn, so Ringleben, die christliche Liebe zum Nächsten ist Glaubensvollendung.
Prof. Ringleben schließt seine Predigt in der vollen Citykirche Sankt Michael mit dem Wunsch: „Zu diesem Glauben und zu dieser Liebe verhelfe uns Gott. Amen“ Die erste Fastenpredigt war meiner Meinung nach auf einem hohen theologischen Niveau und war sehr gehaltvoll. Darüber hinaus bietet sie viele Gedanken zum Nach- und Weiterdenken und zur Diskussion. Für mich war schön zu sehen, dass dieses Thema auf so viel Interesse gestoßen ist. Es ist eben nicht egal was unsere evangelischen Schwestern und Brüder für theologische Ansichten haben und was sie glauben. Ein schönes Zeichen lebendiger Ökumene!
Marcus Grabisch