Pastoraltheologe Paul Zulehner (Wien) fordert Perspektivenwechsel
Die Kirche steht besser da als sie selber meint - Studientag in Hildesheim
Kirchenaustritte, immer weniger Priester, die ewigen Dauerprobleme... manche können es gar nicht mehr hören! Paul Zulehner, ex-Pastoraltheologe aus Wien, aber alles andere als im Ruhestand, hat den über 100 Besuchern des Studientages im Ansgarhaus / Hildesheim Mut gemacht. Der kompetente, aber auch witzige Theologe ist nicht zum ersten Mal im Bistum. Wohl auch deshalb sind doppelt soviele Leute gekommen als ursprünglich gedacht. Im Saal war es dementsprechend voll, aber auch gemütlich.
Im Rahmen der Bistumsinitiative "Forum lokale Kirchenentwicklung", für die sich besonders Regens Christian Hennecke verantwortlich zeichnet, trafen sich Pfarrer, PastoraltheologInnen, GemeindereferentInnen und viele Ehrenamtliche aus PGR oder Gemeinde überhaupt.
Paul Zulehner fordert einen Perspektivenwechsel: Nicht immer auf das schauen, was nicht mehr da ist, sondern auf das was da ist. Immerhin kommen die heute Kommenden freiwillig und nicht, weil "man" eben in die Kirche geht. Niemand muss heute noch Christ und Kirchenmitglied sein, um an einen Job zu kommen. Die Leute sind souveräner als früher - und das ist gut so! Früher war die Kirchenbindung "Schicksal" - heute ist sie "Wahl".
Kirche ist - nach Zulehner - heute vielgestaltiger, bunter. Er spricht von einer "Verbuntung" der Kirche. Wir stecken nach ihm nicht in einer Kirchenkrise, sondern einem Transformationsprozess. Die klassischen" Irritationen (Zölibat, mangelnde Demokratie u.a. oft genannten Problemfelder) sind zwar Problembeschleuniger, aber nicht Auslöser. Der Hauptgrund sei vielmehr nach Zulehner, die abnehmende Bindung, die wachsende Entfremdung der Kirche, zu der dann die besagten Dauerprobleme dazukommen und oft der berühmte Tropfen sind, der dann das Fass zum auslaufen bringt. Dennoch: obwohl jeder Dritte schon mal an Kirchenaustritt gedacht hat zun dies letztlich doch nur wenige. Freilich sind viele dauerhaft unentschlossen, im "Stand By Status" wie Zulehner formuliert.
Eine funktionierende Kirche braucht vier Grundelemente, die Zulehner aus der Organisationssoziologie entnimmt: Man braucht Visionen, eine Gemeinschaft, ein Programm und eine Administration. Visionen schaffen Gemeinde, die sich wiederum dann ein Programm gibt. Jetzt kommt die unvermeidliche Bürokratie. Wenn letztere aber zum Selbstläufer wird, dann braucht es eine neue Initialzündung, neue Visionen, die orientieren, motivieren und auch das Bestehende kritisieren. Visionen entstehen dadurch, dass man die persönlichen Träume anderen erzählt, Gemeinsamkeiten und Unterscheide festhält und dann auf den Prüfstand vor die "Propheten" stellt, d.h. sich von der Bibel her noch einmal infrage stellen lässt.
Dem Wiener ist es mit seinem Schmäh gelungen die Teilnehmer zum nachdenken und auch zum lachen zu bringen, über die Kirche und auch über sich selbst.