Kann man aus der Kirche austreten und trotzdem Christ sein oder bleiben?
Die deutschen Bischöfe äußern sich zur Frage von Kirchensteuer und Kirchenaustritt - Erfahrungen in Sankt Michael.
Kann man aus der katholischen Kirche austreten - und sich damit die Kirchensteuer sparen - und trotzdem "drin" bleiben? Nicht selten erreicht diese Frage die Pfarrämter, auch das Unsrige. Kann man aus der Kirche als Organisation austreten und in der Kirche als Glaubensgemeinschaft bleiben? Ist es möglich auszutreten und trotzdem zur Kommunion zu gehen oder Taufpate zu werden? Darf ich eventuell anstelle der Kirchensteuer eine freiwillige Abgabe zahlen, die dann nicht der "Amtskirche" zu Gute kommt, sondern einem von mir bevorzugten Spendenprojekt?
Die deutschen Bischöfe haben über diese und ähnliche Fragen getagt und sind - in Absprache mit dem Vatikan - zu einer Entscheidung gekommen: Eine Trennung von Kirche in Organisation und Glaubensgemeinschaft ist (weiterhin) nicht möglich. Den offiziellen Wortlaut des erarbeiteten Dokumentes finden Sie hier. Demnach kann jemand, der aus der Kirche ausgetreten ist nicht zur Kommunion gehen, im Pfarrgemeinderat sitzen, ReligionslehrerIn sein oder Taufpate werden.
Die Gemeinden werden angehalten den Austrittswilligen einen Brief zu schreiben, um sie im letzten Moment noch umzustimmen. Ein Mustertext ist ebenfalls im Dokument der DBK (s.o.) angefügt.
In Sankt Michael stellt sich die Lage etwa wie folgt dar: Oft erst nach längerer Zeit erfährt die Gemeinde, dass jemand aus der Kirche ausgetreten ist. Dabei handelt es sich in 99% aller Fälle (es gibt pro Monat etwa 4 bis 7) um Menschen, die keinen erkennbaren Bezug zu Sankt Michael hatten. Oft sind es StudentInnen, die nach erfolgtem Auszug aus "Hotel Mama" die vorher schon gelebte Distanz einfach auf den Punkt bringen und austreten. Bei vielen mögen finanzielle Gründe vorliegen: Wieso eine Organisation fördern, von der ich mich entfremdet habe? Manche sind mit der Praxis der "Amtskirche" nicht einverstanden (Zölibat, Missbrauch, Frauenfrage in der Kirche, Homoehe, usw.), wieder andere haben im persönlichen Bereich eine negative Kirchenerfahrung - etwa bei der Trauerfeier eines Angehörigen oder mit dem Pfarrer der Heimatgemeinde.
Für echte Trendaussagen ist die Datenbasis zu schmal. Als Studentenstadt hat Göttingen wohl von Haus höhere Austrittszahlen, da der Auszug aus dem Elterhaus oft Anlass ist den formellen Schritt des Austritts zu vollziehen, der innerlich längst erfolgt ist. Die spezifische Gemengelage in Göttingen (u.a. evangelisch geprägte Stadt, volkskatholisches Eichsfeld im Umfeld, Nähe zu den säkulareren neuen Bundesländern) macht stichhaltige Aussagen schwierig.
Pfarrer Hösl schreibt jedem Ausgetretenen einen persönlichen Brief. Darin bietet er ein Gespräch an, sei es beim Ausgetretenen zuhause oder im Pfarrbüro. Es wird betont, dass dieses Gespräch ohne Druck und unverbindlich stattfindet - hier setzen wir einen anderen Akzent als das vorgeschlagene Schreiben der Bischöfe. Im Schnitt nehmen dieses Angebot zum Gespräch etwa 5-10% der Angeschriebenen an. Über die Jahre verteilt kann man in etwa sagen, dass 10% derer, die austreten irgendwann wieder eintreten. Die Gründe hierfür sind genauso individuell wie beim Austritt.