Kann Gott allmächtig sein bei so viel Leid?
Das Thema „Kann Gott allmächtig sein bei so viel Leid?“ auf dem bewusst provozierenden Werbeplakat hatte viele interessierte Hörer in den Gemeindesaal gelockt.
Nach einer anfänglichen Klärung der Begriffe „Allmacht“ und „Leid“ legte nun Pater Gertler anhand verschiedener Beispiele aus dem Alten Testament dar, wie das Volk Israel aufgrund seiner geschichtlichen Erfahrungen Gott als den Einen und den Allmächtigen erkannte, der aber den Menschen die Freiheit schenkt und den Raum lässt, an seinem Heilsplan mitzuwirken. In diesem Miteinander liegt die innere Spannung von Israels Gotteserfahrung begründet: Der starke, gerechte, gute Beschützer Israels lässt immer wieder auch Scheitern, Ungerechtigkeiten und Böses zu, ohne einzugreifen. Der barmherzige, nahe Gott ist zugleich der unbegreifliche, unverfügbare ganz Andere.
In dieser Spannung zwischen Allmacht und Ohnmacht steht auch Jesus. Mit Gottes Macht heilt er Kranke, treibt er Dämonen aus, weckt er Tote auf und teilt diese Fähigkeiten auch denen mit, die ihm im Glauben nachfolgen. Doch Jesus „verkörpert“ zugleich Gottes Liebe, und die beinhaltet auch die Feindesliebe, die sich vorbehaltlos hingibt bis zum Tod am Kreuz. Gerade darin aber setzt sie die unbesiegbare Macht der Ohnmacht Gottes frei, die sich in Jesu Auferstehung offenbart.
Das bedeutet für uns, die wir – wie schon das Israel des Alten Bundes – angesichts des Leides in der Welt mit der Frage nach der Allmacht des guten Gottes an die Grenzen unserer Einsicht stoßen, die Erschließung einer neuen Dimension: der Hoffnung. Jesus führt uns auf dem Weg durch das Leid und durch die vielen kleinen „Tode“ des Alltags hindurch, um uns zu immer neuem inneren „Auferstehen“ zu befreien und so aus allem Unheil neues Heil hervorgehen zu lassen. So viele Fragen also der Glaube an die Allmacht auch aufgibt, lässt er uns doch zugleich hoffen, dass Gott mächtiger als alle Übel ist und alles zum Guten führen will.
Nach dem Vortrag war den Hörern die Gelegenheit zum Austausch geboten, und es kam zu einer langen, vielschichtigen und interessanten Diskussion, aus der alle Anwesenden neue Anregungen mit nach Hause nehmen konnten.