Ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen (Mt 25,43)

Auf den Spuren der Hugenotten und Waldenser

 

 

Erich Fried

Zuflucht
Manchmal suche ich Zuflucht
bei dir vor dir und vor mir
vor dem Zorn auf dich
vor der Ungeduld
vor der Ermüdung
vor meinem Leben
das Hoffnungen abstreift
wie der Tod.
Ich suche Schutz
bei dir
vor der zu ruhigen Ruhe.
Ich suche bei dir
meine Schwäche.
Die soll mir zu Hilfe kommen
gegen die Kraft
die ich
nicht haben will.

Immer wieder lesen wir in der Bibel von Menschen, die auf der Flucht waren. Sie haben ihre Heimat verlassen, mussten sich von Familie und Freunden trennen und sind in das Unbekannte gezogen: Abraham, Isaak oder Naomi als Wirtschaftsflüchtlinge, Mose oder Jesus als politisch Verfolgte. Ständig fliehen wir vor uns selbst, vor unseren Problemen, die wir nicht zu bewältigen wissen. 

Um dieser Frage des Auf-der-Flucht-Seins nachzugehen, begaben wir uns auf den Weg der Spuren der Hugenotten, die vor 300 Jahren aus Frankreich als Religionsflüchtlinge unter anderem auch nach Deutschland kamen. Das sorgfältig ausgesuchte und brandaktuelle Thema unserer Tagesexkursion erinnerte an die Reihe der Werke der Barmherzigkeit, was bereits  der Titel dieses Berichts zum Ausdruck bringt.

Wir starteten mit zwei VW-Bussen und einem PKW am Samstag Morgen Richtung Bad Karlshafen. Diese hessische Stadt wurde 1699 als Sieburg (Syburg) von Landgraf Karl als Exulantenstadt von Hessen-Kassel zur Ansiedlung von Hugenotten, protestantischen Glaubensflüchtlingen aus Frankreich, gegründet. Wir besuchten das Hugenotten-Museum, wo wir uns die Schicksale der Religionsflüchtlinge zu Gemüte führten. Im Anschluss darauf stärkten wir uns in einem Gästeraum des Rathauses bei einem gemeinsamen Picknick. Bei Sonnenschein hätte es in einem wunderschönen Garten vor dem Rathaus stattgefunden.

Unsere nächste Station war eine kleine Siedlung, die schon ihrem Namen nach an die gläubigen Waldenser erinnert, nämlich Gottstreu. Hier und im Nachbarort Gewissensruh, dessen Name ebenso bereits für sich spricht, siedelten sich die Waldenser, protestantische Gläubige, an, die im Mittelalter von der Katholischen Kirche als Häretiker durch die Inquisition verfolgt wurden und die sich als Vorläufer und wichtiger Teil des reformierten Protestantismus verstehen. Mit der Geschichte der Waldenser setzten wir uns bei einer Führung durch das dortige Museum auseinander. In der schlichten Waldenser Kirche zu Gottstreu hielten wir abschließend zu unserer Exkursion eine wunderschöne Andacht, die P. Theo Schneider leitete und die von Regina Möhring musikalisch begleitet wurde. In der Andacht wurde all derer gedacht, die heutzutage unter Verfolgungen leiden, all derer, die sich auf der Flucht befinden. Sie mögen einen sicheren Zufluchtsort, Geborgenheit und Heimat (wieder)finden. 

Alle, die sich in das Thema der Flüchtlinge vertiefen möchten, sind ganz herzlich zum Gespräch mit Asylsuchenden "Mitten unter uns" am 27.Mai um 19.30 Uhr in der KHG (Kurze Str. 13) eingeladen. 

Marta Kaptsan