Citypastoral zu Gast bei der Neuapostolischen Kirche Göttingens
Gottesdienst und anschließendes Gespräch mit der Gemeindeleitung
Am Mittwochabend trafen sich Interessierte an der Neuapostolischen Kirche (NAK) vor den frisch renovierten Räumlichkeiten der Kirche in der Wender Landstraße 63c. Um 19:30 Uhr begann dann der Gottesdienst mit dem Einzug der in schwarze Anzüge gekleideten und so erkennbaren Priester. Die Leitung des Gottesdienstes lag bei Herrn Marco Scheuchzer. Die schwarzen Anzüge sind - so ergab das Gespräch hinterher - Reminiszenz von früher. Damals war der schwarze Anzug das normale Kleidungsstück der Männer und Ausdruck von gewollter Schlichtheit.
Der Gottesdienst begann mit einem Gemeindelied. Dann sprach Herr Scheuchzer ein Eröffnungsgebet, das wie alle Gebete, frei formuliert war. Die von Musikbeiträgen unterbrochene Predigt griff die Tageslosung aus Hebr 13,8 auf: Christus ist derselbe, gestern, heute und in Ewigkeit. Alles wandelt sich - so Marco Scheuchzer - angefangen von der Technik bis hin zu Werten. Gibt es etwas das bleibt? Drei Aspekte in Bezug auf Christus führte er aus: 1. Christus bringt auch heute die Chance sich mit Gott zu versöhnen. 2. Christus bietet seinen Frieden auch heute an. Und schließlich 3. Christi Verheißung auf seine (baldige) Wiederkunft steht auch heute noch.
Das Lied Darf ich wiederkommen mit meiner Schuld? leitete dann zum jetzt folgenden Abendmahl über, zu dem Herr Scheuchzer bewusst alle einlud. Vorher gab es ein Gebet zur Sündenvergebung, dem dann die Einsetzungsworte ("Aussonderungsworte") folgten. Zuerst nahm dann der leitende Priester die Hostie, dann erhielten die anwesenden Priester und aus deren Händen dann die Gläubigen den Leib und das Blut Christi, welches aus ein paar Tropfen Wein auf dem Brot bestand.
Das letzte Wort hatte der gemischte Chor, ein Highlight der Göttinger Gemeinde, worauf sie - zu Recht - sehr stolz sind. Die singenden Gemeindemitglieder sitzen in den Kirchenbänken, stehen bei ihren Beiträgen einfach auf und werden von einem Dirigenten geleitet.
Nach dem Gottesdienst begrüßte der Leiter noch einmal explizit unsere Gruppe und lud zum Gespräch im Gemeindesaal über der Kirche ein. Der Andrang war groß, so dass der Kreis mehrmals erweitert werden musste.
Herr Mönckemeyer gab ein paar Grundinfos über die Gemeinde:
In Göttingen gibt es demnach etwa 500 Gemeindemitglieder, von denen etwa 180 den Sonntagsgottesdienst besuchen. In Deutschland gibt es etwa 380 000 Mitglieder, weltweit 10,1 Mio. Die Zahlen stagnieren seit einiger Zeit, wobei Europa eher Rückgänge zu verzeichnen hat, in Afrika aber Zuwächse sein müssen. Auf dem schwarzen Kontinent gibt es mittlerweile 800 000 Mitglieder, d.h. 4/5 aller NAK sind Afrikaner. Die Kirche kann heuer ihr 150-jähriges Jubiläum feiern. Damals hat Heinrich Geyer, aus der unmittelbaren Nähe bei Hardegsen stammend, den entscheidenden Impuls zur Gründung der NAK gegeben. Die Geschichte der NAK ist von vielen Abspaltungen geprägt und auch heute gibt es starke Auseinandersetzungen zwischen liberalen Reformern und konservativen Bewahrern, meist Älteren. Insgesamt aber gelingt es der Kirche sich einerseits zu öffnen, auf der anderen Seite die Alten "mitzunehmen". Nicht jedem fällt es leicht den lange erhobenen Exklusivitätsanspruch aufzugeben und Kontakte zu anderen Kirchen zu suchen. Mittlerweile hat man innerhalb der ACK (Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen) einen Gaststatus, strebt aber die Vollmitgliedschaft an. Göttingen ist eine vergleichsweise liberale Hochburg der NAK, was der Universität geschuldet ist. In anderen Regionen überwiegen freilich konservativere Kräfte.
In der NAK gibt es drei Ämterebenen: Das Diakonenamt (Seelsorge und Organisationsaufgaben), Priesteramt (Verkündigung, Gottesdienst u.a.) sowie als "Alleinstellungsmerkmal" das Apostelamt, das mit der Leitung der Kirche verbunden ist. Der Apostel hat bischöfliche Kompetenz und es ist ein Anlass zur Freude, wenn ein Apostel ca. 1-2 mal im Jahr die Gemeinde besuchen kann. Die Göttinger haben als Großgemeinde sogar den Luxus öfters Besuch von Oben zu erhalten, als dies Kleingemeinden vergönnt ist. Der nächste Apostelbesuch ist übrigens am 8. Dezember um 16:00 Uhr, zu dem auch Außenstehende eingeladen sind. Derzeit sind die Ämter nur Männern vorbehalten, aber ähnlich wie in der katholischen Kirche gibt es Diskussionen die Ämter auch für Frauen zu öffnen. Allerdings tun sich die afrikanischen Gemeinden hier noch sehr schwer.
Die NAK ist eine Laienkirche. Auch die Priester absolvieren kein Studium, was man derzeit aber langsam ändert. Der den Gottesdienst vorbereitende Priester kann lediglich auf ein Heft mit "Leitgedanken" zurückgreifen, das ihm etwas Ideengut für seine Predigt liefert.
Die NAK ist eine K.d.ö.R. und finanziert sich ausschließlich aus Spenden - leider rückläufig! In Sachen Kirchendisziplin ist die Kirche toleranter geworden. So kann sich keines der Mitglieder daran erinnern, dass Mitglieder wegen ihres (Un-)Glaubens oder mangelnder Kirchenpraxis exkommuniziert wurden. Man versucht den Kontakt zu den Kirchenmitgliedern via Hausbesuche zu halten, die freilich auch nur auf Freiwilligkeit beruhen. Auch die NAK hat viele "Karteileichen"...
Die Taufen der anderen Kirchen werden anerkannt. Es gibt drei Sakramente (Abendmahl, Taufe und Versiegelung, eine Art "Konfirmation" oder Firmung...). Maria spielt eine vergleichsweise geringe Rolle, man benützt im Normalfall die 1984er Lutherübersetzung im Gottesdienst. Aber auch den Stellenwert von Bibeltexten (bisher nur an Festtagen) beginnt man erst in den letzten Jahren (neu) zu entdecken. Ein großes Problem für die NAK ist die mangelnde öffentliche Wahrnehmung: Die Medien berichten entweder gar nicht oder nur negativ ("Sekte!") über die Kirche. Daran ist aber die NAK - so räumt man ein - auch selber mit schuld, weil man sich zu lange einigelte und ökumenische Kontakte mied. Mehr Infos zur NAK finden Sie bei WIKIPEDIA und unter den dort angegeben Angaben.
Nach gut eineinhalb Stunden beendete P. Hösl den Abend, der interessant und kurzweilig war. Respekt gilt vor allem der selbstkritischen Sichtweise der anwesenden Gemeindemitgliedern, die alle Fragen offen beantworteten.
Mit einem Besuch bei der Landeskirchlichen Gemeinschaft am 19. November endet die Reihe Was glauben die anderen? in diesem Jahr. Aber es ist bereits jetzt angedacht diese Reihe auch im kommenden Jahr fortzusetzen.