Citypastoral zu Besuch bei der Reformierten Gemeinde Göttingens ("Refos")

Pastor Michael Ebener stellt seine Kirche und seine Konfession vor

 

Katholiken neigen dazu „die Evangelischen“ als einheitlichen Block zu sehen und verkennen, dass die Unterschiede innerhalb den reformatorischen Kirchen manchmal größer sind als zwischen einzelnen protestantischen Kirchen und der katholischen Kirche. So liegen Lutheraner und Katholiken in der Abendsmahlsfrage wohl näher beisammen als Lutheraner und Reformierte bei diesem Thema. Das war nur einer von vielen Punkten, die beim Besuch der Citypastoral in der Unteren Karspüle deutlich wurden.

Pastor Michael Ebener empfing gut 20 Interessierte in der Kirche vor Ort. Der Kirchraum spricht ohne Worte vieles aus, was für reformierte Christen wichtig und typisch ist. Es fehlen Bilder, es gibt kein Kreuz. Manchmal, so Pastor Ebener, spielt er mit Schulklassen oder Konfis (Konfirmanten) in der Kirche Churchball, wobei es darum geht, dass der Ball nicht auf die leere Mittelfläche aufkommt. Kein Problem, meint der Ortspfarrer, betont lässig am Abendmahlstischchen lehnend. Es gibt bei den Reformierten keine speziellen Sakralräume – das gesprochene (ja nicht einmal geschlagene!) Kreuzzeichen macht umgekehrt jeden Raum zu einem Gottesdienstraum!

Einen Altar sucht man in reformierten Kirchen vergeblich: Es gibt nur ein einziges Opfer – wenn überhaupt, so Pastor Ebener – und das ist das von Golgotha. Dieses eine Opfer kann und braucht nicht wiederholt werden. Deshalb braucht es keinen Altar, ja nicht einmal Kerzen, die ja im letzten nur Symbole des verbrennenden Opfers seien...

Statt des Altarsakramentes gibt es bei den Refos ein Tischabendmahl. Dabei wird ein Tisch für 12 Personen herangetragen, an dem man dann „Leonardo“ spielt, in Anspielung an das berühmte Gemälde des großen Künstlers. Dabei wird Brot und weißer Traubensaft gereicht - Roter würde nur das Silbergeschirr angreifen, so ein engagierter Reformierter auf Nachfrage. Die Reformierten sind in solchen Dingen für manche bis zur Unerträglichkeit nüchtern. Dennoch, so Pastor Ebener, ist das Abendmahl auch für reformierte Christen ein besonderer Moment der Nähe Jesu Christi. Einmal pro Monat feiert die nominell 2100 Christen große Gemeinde das Abendmahl, wobei freilich nicht alle am Sonntag kommen. Das sind zwischen 70 und 140 Leute. In Deutschland gibt es etwa 2 Mio Reformierte, weltweit etwa 75 Mio.

Das Presbyterium hat eine sehr hohe und souveräne Stellung. Nur in der Verkündigung kann es dem Pastor nicht reinreden. Bischöfe gibt es nicht. Alles ist demokratisch-synodal aufgebaut. Die Ortsgemeinde ist (fast) autonom.
Der Gottesdienst kennt keine Liturgie wie man sie von lutherischen oder gar katholischen Gottesdiensten her kennt. Auch der Talar ist nicht vorgeschrieben. Während die 68er Geneeration der Pfarrer ihn ablehnen ziehen jüngere Pastor(inn)en ihn wieder eher an.

Fast zwei Stunden, die wie im Flug vergingen, unterhielten sich die Gäste mit dem Hausherrn. In der Mitte des Abends gab es eine interessante Unterbrechung: Der gemeindeeigene Psalmenchor sang zwei Lieder aus dem reformierten Gesangbuch. Jean Calvin, neben Huldreich Zwingli, die Gründergestalt reformierten Christentums, hatte in seiner radikalen Phase Orgelmusik und Gesang überhaupt aus dem reformierten Gottesdienst verbannt. Nur der Psalmengesang wurde zugestanden. Ganz anders als die katholischen Mönche und Nonnen etwa beim Stundengebet ist auch dieser Gesang meditativ und (ansatzweise) mystisch.

Nach gut zwei Stunden dichtester Infos wurden dann alle in den Gemeinderaum zu einer Tasse Tee und ein paar Keksen eingeladen. Der Gesprächsstoff war immer noch nicht ausgegangen. Das lag sicher auch an Pastor Michael Ebener, der einerseits sehr klar war, auf der anderen Seite aber auch sehr freundlich und bescheiden wirkte. Am Ende des Abends wussten wohl alle viel mehr als zu Beginn, wer die Refos sind, was ihnen wichtig ist und warum sie so sind wie sie sind.