Blue Velvet - Bericht Nr. 8 aus den USA

Anna-Lena berichtet von ihrem Jahr als Volontärin

 

Liebe Unterstützer, Freunde, Verwandte und Bekannte,

Seit Monaten habe ich die Notizen für den Märzbericht auf dem Computer, leider auf Englisch. Und die englischen Wörter lesend fiel mir einfach kein gut klingender deutscher Satz ein! Ich entschuldige mich also schon mal, falls die Sätze etwas holprig klingen und zu viel Englisch enthalten.

So schön es hier auch ist und so nett die Leute auch sind, manchmal kommt auch Heimweh auf. Der Bruder von Pietro war eine Woche zu Besuch und den vertrauten Umgang der beiden betrachtend wünschte ich, ich hätte meine zwei geliebten Schwestern da.
Ein positiver Effekt von Besuchern und neuen Assistants ist aber besonders der frische Wind, den sie bringen. Man sieht das Zusammenleben wieder aus anderen Augen und es ist ein gutes Gefühl, die Talente der Core Member zu teilen.

In kleinen Schritten übernehme ich immer mehr Verantwortung, es gibt neue Situationen zu meistern und Aufgaben zu erledigen. So war ich zum ersten Mal mit einem Core Member beim Arzt zu Routineuntersuchungen. Zunächst mit einem anderen Assistant zusammen, der mir alle Vorgänge und den Papierkram erklärt, das zweite Mal dann alleine.

Auf der Farm ging es im März rund, mit der Hilfe einiger Gruppen haben wir die Felder umgegraben, den ersten Knoblauch ins Feld gesetzt, „hanging baskets“ - hängende Blumentöpfe – bepflanzt und aufgehängt und die verschiedensten Arten von Tomaten und Paprika sowie tausend Sonnenblumen für eine Beerdigung gesät. An einem Tag hatten wir an die hundert Schüler da, von zwei verschiedenen Schulen!

Wann immer eine größere Assistantsgruppe etwas nach den Abendroutinen unternimmt, geht es zu Shari's, eine gemütliche Diner-Kette, die bekannt ist für ihre Kuchen. Pieshakes (Milkshakes mit Kuchen drin) schlürfend unterhalten wir uns über dies und das und das Leben in L'Arche. Ich bin immer wieder überrascht, wie wenig ich mit einigen gemeinsam habe, aber trotzdem ist L'Arche eine so große Gemeinsamkeit, dass dem ganzen eine seltsame Familienatmosphäre unterliegt – Grace in der Bücherei über den Weg laufen hat das gleiche Gefühl wie einem Cousin in der Bücherei über den Weg laufen.

Für den größten Fundraiser der Gemeinschaft, eine Auktion, haben sich alle in Schale geworfen. Ich war zwar nicht persönlich da, habe aber verrückte Geschichten gehört von Kuchen, die für 300 Dollar unter den Hammer kamen.

Die ganzen Veränderungen in Führungspositionen laufen an, Inga, vormals Live-in Assistant in Anawim, ist nun dabei, sich langsam in ihre neue Rolle als Community Coordinator einzufinden, während Erin (sie war vorher Koordinator) immer mehr Verantwortung an sie übergibt.
Mein Geburtstag Anfang des Monats wurde gebührend mit einem dreistöckigen Schokoladenkuchen gefeiert, von dem wohl fast die gesamte Community etwas abbekommen hat – tagelang pilgerten Assistants zum Farmhouse, um unter dem Vorwand eines einfachen Besuches ein Stück zu stibitzen.

Bisher habe ich nur über die monatlichen Assistant Formations geschrieben, was ich noch nicht erwähnt habe, sind die Functional Accompaniments. Lange Worte, kurzer Sinn: Das sind monatliche Treffen des Assistant mit dem jeweiligen House Leader. Jedes Haus hat einen House Leader, der im Haus wohnt und dafür verantwortlich ist, dass alles läuft und Fehler soweit wie möglich vermieden werden. In Farmhouse ist das Brittni, und jeden Monat treffen wir uns für eine Stunde und reden darüber, wie es mir in meiner Rolle und mit den verschiedenen Mitbewohnern geht und was ich eventuell gerne ändern würde oder in welchen Situationen ich mehr Hilfe brauche.

Kleine Anekdote zu meinem Leben im Haus hier: Letzte Woche kam ich in die Küche und sah Shann am Küchentisch sitzen. Sie versuchte, eine Tüte zu öffnen und bevor ich sehen konnte, was es war, hat sich der gesamte Tüteninhalt mit einer Art Explosion über den gesamten Tisch verteilt. Shann war im siebten Himmel und hat das Kakaopulver direkt vom Tisch geleckt.

Normalerweise muss zu jedem Zeitpunkt ein Assistant im Haus sein, wenn auch Core Members da sind. Da Farmhouse das Glück hat, eine externe Nachtperson zu haben, werden wir manchmal eingeteilt, in anderen Häusern zu übernachten um da zu sein im Falle des Falles (das Haus brennt/ jemand hat einen epileptischen Anfall/ …). So war ich für eine „overnight“ in Ananda eingeteilt und das einzige Problem: Alle Betten dort sind belegt. Aber hey, wofür gibt es Yogamatten?! Es war etwas seltsam, andere Geräusche als gewohnt zu hören. Im Farmhouse spricht Kendyl im Zimmer unter mir im Schlaf, Millionen Frösche quaken auf der Farm und wann immer ein tieffliegendes Armeeflugzeug über das Haus braust, wachen die Hühner auf und gackern.

Inzwischen habe ich schon etwas mehr als die Hälfe der Grundschritte im Square Dance Mainstream gelernt und habe meinen ersten Tanz hinter mir. Es hat Spaß gemacht, mal einfach nur zu tanzen. Die Stunden ziehen sich manchmal etwas, da die anderen Herrschaften doch etwas älter sind und sich neue Schritte nicht ganz so leicht merken. Im Nebenraum wurde Secondhand-Squaredance-Kleidung verkauft und so bin ich jetzt im stolzen Besitz eines Kleides samt Petticoat und Gürtel. Für alle, die es nicht wissen: Der Petticoat ist ein mehrlagiger Unterrock aus Tüll, der um einen herumbauscht und es schwierig macht, durch enge Türen zu kommen.

Ich melde mich bald wieder!

Alles Liebe,
Anna Lena

annalena@weingut-schick.de

Anna Lena Schick
c/o L'Arche Tahoma Hope Office
12303 36th Ave. East
Tacoma, WA 98446
USA