Auf Wiedersehen mein Kind!
Annette Stechmann predigt zu einer Bilder-Ausstellung von Müttern vor, die ihr Kind verloren haben
Klinikseelsorgerin Annette Stechmann betreut schon seid vielen Jahren Mütter und Väter, die ihr Kind, sei es kurz vor oder kurz nach der Geburt, verloren haben. Jedes Jahr werden etwa 600 dieser Kinder in Göttingen beigesetzt. In Sankt Michael gibt es derzeit eine Ausstellung mit Bildern betroffener Mütter. Annette Stechmann stellt die Bilder in den Hauptgottesdiensten vor.
Oftmals unbemerkt von der Umgebung müssen Menschen mit einem Lebensproblem gerecht werden, von dem manche sich gar nicht vorstellen können dass es sie (in ihrer Nähe!) gibt. Oftmals ist es gerade die Einsamkeit, die den Schmerz zusätzlich verstärkt. So gibt es um uns Mütter, die ihr Kind verloren haben. Manche vor, andere nach der Geburt. Wie mag es diesen Frauen gehen, wenn sie gesunde Kinder umherspringen sehen? Was macht eine solche Erfahrung mit dem Glauben der Betroffenen?
Das Göttinger Tageblatt berichtete am gestrigen Samstag über Frauen, die ihr Kind verloren haben. Nach dem Artikel sind es jedes Jahr 600 solcher Kinder, die am Friedhof St. Petri in Weende von Klinikseelsorgerin Annette Stechmann und ihren KollegInnen beigesetzt werden. Was manchmal schwer in Worte zu fassen ist, ist manchmal leichter zu malen.
So finden sich derzeit in Sankt Michael Bilder von Frauen, die ihr Kind verloren haben oder mit solchen Frauen arbeiten. Es sind bunte Bilder! Sie lassen dunkles Leid ahnen, erzählen aber auch von der Hoffnung auf ein Wiedersehen oder drücken die Sehnsucht danach aus. Im vergangenen Herbst hatte Annette Stechmann (Pastoralreferentin katholische Klinikseelsorge der UMG) Eltern tot geborener Kinder eingeladen, ihrer Trauer in einem Kreativworkshop gestalterisch Ausdruck zu verleihen. „Trauergespräche sind gut und wichtig, wenn aber keine Worte mehr für das Geschehen gefunden werden, hilft kreatives Gestalten“, erklärt Annette Stechmann, deren Promotionsarbeit ebenfalls um dieses Thema kreist. Unter der Leitung von Kunst- und Gestaltungstherapeut Jens Meier fanden sich Mütter und eine Großmutter zu regelmäßigen Treffen im Ancora, dem Zentrum für Beratung und Seelsorge der katholischen Kirche in Göttingen. Die entstandenen Arbeiten vereinen Trauer und Hoffnung zu gleich. „Ich schaue dorthin, wo mein Sohn begraben ist. Dann ist er ganz nah bei mir. Da fühle ich mich wohl“, schreibt eine Mutter zu einem sternklaren Ausblick in den Nachthimmel.
Am jetzigen Sonntag, 19. Februar, im Gottesdienst um 11.30 Uhr, stellte Annette Stechmann in ihrer Predigt Bilder und Projekt überhaupt vor. Zu sehen sind auf den Bildern v.a. Symbole: ein zerbrochenes Herz, der Lebensbaum. Sterne… Es dreht sich um Abschied und die Hoffnung auf ein Wiedersehen. In ihrer Doktorarbeit untersucht Annette Stechmann, wie man in solchen unvorstellbaren Situationen des Leides überhaupt noch von Gott sprechen kann. Kann man das? Oder kippt man in solchen Situationen nicht den Glauben über Bord? Das tun die meisten nicht, so Annette Stechmann in ihrer Predigt – im Gegenteil!
Annette Stechmann griff das Bild vom Tempel Gottes in der Lesung auf und übertrug es: Kinder sind der Tempel Gottes, Frauen sind der Tempel Gottes, die Welt ist Tempel Gottes. In dieser Welt ist auch der Tod, aber dieser Tod ist von Gott umschlungen. Die Predigerin sprach die im Kirchenschiff seinenden Frauen und Malerinnen ihrer Bilder auch direkt an und dankte ihnen für die Möglichkeit die Bilder ausstellen zu dürfen und so das Thema einer breiteren Öffentlichkeit anzutragen. Ohne Zweifel keine leichte Kost – man hätte eine Stecknadel falle hören können. Große Betroffenheit unter den GottesdienstbesucherInnen, darunter aber auch so mancher direkt oder indirekt Betroffene, aber (hoffentlich) auch Erleichterung. Und die Freude einen Glauben zu haben, der sogar solche menschlichen Extremsituationen noch zur Sprache bringen kann, sei es als Klage, sei es als Hoffnung.
Oder als Fürbitte! Diese wurden von Frau Stechmann und Ila Scholz vorgetragen. Dann schwenkte der Gottesdienst in eher gewohnte Bahnen. Vielleicht ganz gut um das Gehörte nachklingen zu lassen. Nach dem Gottesdienst konnte man sich die Bilder noch einmal ansehen oder eine Frage an Annette Stechmann richten. Am Schluss bedankte sich Frau Stechmann bei allen, die diesen Gottesdienst möglich gemacht haben. Zu sehen sind die Bilder täglich bis Aschermittwoch, 1. März, zwischen 8 und 20 Uhr in Sankt Michael (Kurze Straße 13).