100 Jahre Kommilitonin Edith Stein an der Göttinger Universität
Rabbi James Baaden über "Das Phänomen Edith Stein und die christlich-jüdischen Beziehungen"
Am Dienstagabend liden der Edith-Stein-Kreis e.V. und die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit aus Göttingen zu einem Vortrag ein, zu dem man keinen komptenteren Redner gewinnen konnte: Rabbi James Baaden aus Oxford bzw. London. Er hat nach Studien in Nordamerika und am Leo Beck College in London über Edith Stein promoviert und beleuchtete die Beziehungen zwischen Judentum und Christentum anhand der Rezeption von Edith Stein.
Edith Stein stammt aus einer normalen jüdischen Familie, was bedeutet, dass viele Familienmitglieder in der Shoa ermordet wurden, manche überlebten, manche konvertiert waren, wie z. B. Edith Stein und ihre Schwester Rosa, was sie freilich nicht vor dem Gas in Ausschwitz retten sollte.
Heiner Willen, Vorsitzender des Edith Steinkreises e.V. und Vorsitzender der der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit begrüsste die gekommenen Gäste. Dann übergab er das Wort an Frau Dr. Mary Heidhues, die Ehrenvorsitzende des Edith Stein Kreises, die wiederum Rabbi James Baaden das Wort erteilte.
Die Art der Beziehung zwischen Judentum und Christentum / Katholizismus wandelte sich im Lauf der Jahrzehnte. So dominierte in den Nachkriegsjahren die Konversionsthematik: auffällig viele Juden wurden (fast) Christen (Alfred Döblin, Karl Stern, Eugenio (!) Zolli, der vorher Rabbiner war u.a.; den letzten Schritt zur Konversion vollzogen Simone Weil und Franz Werfel wohl doch nicht). Beziehungsgeschichte war in dieser Zeit weitgehend identisch mit Konversionsgeschichte.
Das erste christlich - jüdische Treffen in der Form, wie wir es heute kennen, fand nach dem zweiten Weltkrieg in Seelisburg in der Schweiz statt. Der katholische Vertreter war damals Wilhelm Neuss. Bahnbrechend war auch das Konzilsdokument Nostra Aetate (1965), das wohl die Handschrift von John Oesterreicher trägt, einem Amerikaner mit österreichisch-jüdischen Wurzeln. In Rolf Hochhuths Stück Der Stellvertreter wird Edith Stein sogar erwähnt.
In den 80er Jahren verdrängte der Holocaust das Konvertitenmotiv - jetzt konzentrierte man sich auf das barbarische und systematische Ermorden. Weitere Ereignisse, die ihre Spuren im Dialog zwischen Judentum und Christentum hinterlassen haben waren: Die Waldheimaffäre (1985/86), der Film Shoa von Claude Lanzmann, der Historikerstreit in Deutschland und der legendäre Synagogenbesuch von Papst Johannes-Paul in Rom. Mit Blick auf Edith Stein denkt man natürlich an ihre Seligsprechung am 1. Mai 1987 in Köln und die Heiligsprechung 1998.
Rabbi James Baaden verstand es in ausgezeichnetem Deutsch lebendig und leidenschaftlich zu erzählen. Im Anschluss an den mit Powerpoint begleiteten Vortrag ergab sich eine spannende Diskussion.